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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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zwinkerte ihr zu, »er beinahe ebenso alt ist wie ich, wenn nicht gar noch älter. Und er konnte mir bei der Suche nach der ältesten Fassung der Ring-Mythologie behilflich sein, weil er mehr über sie wusste als jeder andere. Er wusste, wo sich die Ur-Edda befand, weil sein wahrer Name Bragi Boddason war und er sie geschrieben hat.«
     

     
    »Wie haben Sie ihn kennen gelernt?«, fragte Galen eifrig und mit einer Bereitwilligkeit, Maddox’ Behauptungen Glauben zu schenken, die dem gesunden Menschenverstand zuwiderlief. »Was für ein Mensch war er?«
    Maddox machte eine unverbindliche Geste. »Wir kannten uns seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert, hatten uns aber einige Jahrzehnte nicht mehr gesehen. Wenn man jedoch so lange lebt wie wir beide, läuft man sich zwangsläufig immer wieder über den Weg. Ich wusste damals, dass er in Nordeuropa unterwegs war, und versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Drei Jahre später tauchte er bei einem von Liszts Konzerten auf, zu dem ich ebenfalls eingeladen war. Wir aßen zusammen zu Abend, und Liszt und ich erzählten ihm von unserem Vorhaben, Wagner zu helfen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wer Stiefelchen wirklich war, und auch nicht, dass er ein solches Buch geschrieben hatte. Ich suchte lediglich den Rat eines älteren und weiseren Mannes, der vielleicht auch ein wenig lebensmüder war als ich.
    Ich wünschte, ich hätte seinen Worten immer so eifrig gelauscht wie damals. Stiefelchen glaubte zu wissen, wo das Buch mit den Geschichten zu finden war. Jahre zuvor hatte es ihm eine ehrgeizige junge Frau gestohlen, zusammen mit einigen anderen Büchern. Er hatte sie unglücklicherweise geheiratet, als er in Russland General war. Jahrelang hatte er nach ihr gesucht, und als er schließlich ihren Aufenthaltsort ausfindig machte, stellte er fest, dass sie sich inzwischen eine imposante Karriere als Spiritistin aufgebaut hatte – wahrscheinlich indem sie Informationen aus den Büchern verwendete, die sie ihm gestohlen hatte. Hätte er sein Eigentum zurückgefordert, wäre dies das Ende ihrer sagenhaften und viel gerühmten prophetischen Begabung gewesen, und schließlich hat er das einfach nicht übers Herz gebracht. Er ließ sie ihr Leben führen und kehrte in sein eigenes zurück, behielt sie jedoch weiterhin im Auge. Er sagte uns, dass sie in Indien sei, um an ihrem spiritistischen und theosophischen Werk zu arbeiten. Ihr Name war Madam Blavatsky.«
     

     
    »Die Okkultistin?«, fragte Marisa. »Welches Interesse hatte sie an der Ur-Edda?«
    »Eigentlich war sie nicht direkt an diesem Buch interessiert«, sagte Maddox. »Sie hatte neun Bände aus seinem Besitz mitgenommen, die allesamt Geschichten enthielten. Einige davon waren die ältesten Fassungen dieser Geschichten, die jemals aufgezeichnet wurden. Es waren kleine Details, die einige der Bände für sie besonders nützlich machten. In ihnen wurden Ereignisse angedeutet, die noch in der Zukunft lagen. Die Genauigkeit der Informationen über längst untergegangene Kulturen, verknüpft mit Hinweisen auf zukünftige Ereignisse, lieferten ihr die perfekte Fassade, um sich als bedeutendste Spiritistin ihrer Zeit zu etablieren.«
    »Hm«, murmelte Marisa. »Ich wette, die Magier hätten ihr den Rang abgelaufen.«
    »Wahrscheinlich. Ausgestattet mit den Informationen, die Stiefelchen uns gegeben hatte, machten wir uns jedenfalls für die Abreise nach Indien bereit. Liszt hatte 1865 die niederen Weihen in der katholischen Kirche empfangen und trug seither den Titel Abbe. Aufgrund dieser Berufung genoss er nun weit größere Freiheiten als vorher und konnte daher unauffälliger reisen. Außerdem bot der damalige Vormarsch des Christentums in den Fernen Osten einen guten Vorwand für unsere Suche.«
    »Sie haben angedeutet, dass Sie Gründe hatten, den Ursprung von Wagners beinahe göttlichen Fähigkeiten zu erahnen«, sagte Marisa. »Aber woher hat Liszt das gewusst? Wie kam er auf den Gedanken, Wagner könnte mehr sein als nur übermäßig talentiert?«
    »Die beiden führten einmal eine besonders heftige Diskussion«, sagte Maddox. »Und dabei enthüllte Wagner seinem Freund einen Aspekt seiner schöpferischen Fähigkeiten, von dem zuvor noch niemand erfahren hatte. Wagner hat seine Erinnerungen an dieses Ereignis später auch veröffentlicht, aber von den Millionen, die seine Worte gelesen haben, hat nur Liszt ihre wahre Bedeutung verstanden.«
    Maddox lehnte seinen Kopf zurück, schloss die Augen und

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