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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Maddox.
    »Ein ganzes Leben«, stimmte Juda zu. »Aber wenn Leibniz’ Theorie stimmt, kann die eigene Erfahrung auch durch eine überdurchschnittliche Sensibilität gegenüber der Erfahrung anderer ersetzt werden – aber ich schweife ab. In diesem Gleichnis steht das Papierboot für ein Ereignis, das sich in der Zeit entfaltet. Sein Weg über den Teich stellt einen von vielen Verläufen dar, die es hätte nehmen können, und die Zeitdimension, in der es sich ereignet…«
    »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, sagte Marisa. »Der Teich selbst steht für eine andere Zeitdimension.«
    »Ganz recht. Und die kleinen Wellen, die das Boot auf seiner Fahrt erzeugt, stehen für Dobbs’ psitronische Wellen.«
    »Und der kleine Mensch ist natürlich die Nervenzelle, die die Wellen empfängt und sie in eine Vorhersage umwandelt. Eine faszinierende Vorstellung, aber immer noch hypothetischer Kokolores«, sagte Galen und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ist so etwas überhaupt schon einmal nachgewiesen worden?«
    »Ja und nein«, sagte Juda. »Die Tatsache, dass etwas noch nicht nachgewiesen wurde, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es nicht existiert. Zeitdauer, erinnern Sie sich? Das Problem besteht also darin, einen Nerven-Mechanismus zu schaffen, mit dessen Hilfe der Betrachter die Welle eines bestimmten Ereignisses vom Mahlstrom der Wellen anderer Ereignisse unterscheiden kann, die sich zur gleichen Zeit entfalten.«
    »Und ich kann mir vorstellen, dass die Wellen umso zahlreicher und das Problem umso komplizierter wird, je weiter das Ereignis in der Zukunft liegt«, sagte Marisa.
    »Genau. Deshalb habe ich etwas geschaffen, das Galen bereits bekannt ist«, sagte Juda und holte ein kleines silbernes Gerät aus seiner Tasche, an dem sich verschiedene Rädchen und Knöpfe befanden. »Ich nenne es die Anabasis-Maschine. Um es einfach zu machen: Sie analysiert psitronische Wellen und berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine bestimmte Welle durchsetzt. Sie zeigt auch an, wann eine Welle ihren Höhepunkt erreichen wird und wann Wellen einander überlagern werden. Diese Überlagerungen nenne ich Umkehrungen. Ich habe festgestellt, dass während einer Umkehrung, wenn die zeitlichen Wahrscheinlichkeiten dauerhaft im Fluss sind, bestimmte Aspekte einer Welle so verstärkt werden können, dass sie sich gegenüber einer anderen durchsetzt. Ich habe außerdem herausgefunden, dass man auf diesen Wellen reiten kann und die Verständigung zwischen vergangenen und zukünftigen Endpunkten möglich ist.«
    »Und ebenso die Zeitreise?«, erkundigte sich Maddox.
    Juda zwinkerte ihm zu. »Gut aufgepasst. Auch die Zeitreise wurde möglich, als ich erst einmal die ihr zugrunde liegenden Prinzipien verstanden hatte. Man benötigte nur eine genaue Beschreibung der Zeit und des Ortes, an dem ein Endpunkt seine Verknüpfung hat. Im Informationszeitalter lässt sich das leicht herausfinden. Schwieriger wird es allerdings, je weiter man in die Vergangenheit oder in die Zukunft vordringt.«
    »Sie könnten also in der Zeit zurückspringen, um beispielsweise Kennedys Ermordung zu verhindern?«, fragte Marisa.
    »Vielleicht«, sagte Juda. »Das Problem mit der modernen Zeit ist aber, dass so viele Berichte über Ereignisse verzerrt sind, dass Genauigkeit beinahe unmöglich wird. Nein, damit die ganze Sache funktioniert, braucht man wahre Berichte, vollständige Berichte. Das ist es, was ich in Meru entdeckt habe. Aber zunächst mussten sie in eine brauchbare Form umgewandelt werden, und das ist eine Aufgabe, die beinahe mehr voraussetzt als reines Genie. An der Gleichung, die schließlich funktionierte, haben drei Genies gearbeitet: Schubert, Wagner und Bruckner.«
    »Wie haben Sie diese historischen Quellen so umgewandelt, dass sie sich auf eine Fragestellung der Quantenphysik anwenden ließen?«
    »Ich habe sie in eine Metapher verwandelt. Damit meine Gleichung funktionierte, benötigte ich eine wahre Metapher, die keinerlei Fehler enthält.«
    »Der Ring als Metapher? Wie ist das zu verstehen?«
    »Ganz einfach. Schließlich ist der ›Ring‹ von Anfang an eine reine Metapher gewesen. Der ›Ring‹ der Nibelungen bezieht sich nicht etwa auf einen Gegenstand, der aus dem Rheingold hergestellt wurde, oder auf den Schatz selbst, sondern auf eine bestimmte Zeitschlaufe, in der der Schatz geborgen und benutzt werden kann. Die Oper, die Wagner schreiben wollte, war in groben Zügen korrekt. Sein Werk und Schuberts unvollendete

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