Die Verschollenen

zurück.
    »Wie gefällt dir das, Wichser? So machen wir das bei uns in Seattle, du Arschloch. Was man -«

    Das Brüllen, das folgte, überlagerte den Rest von Troys Tirade.
    Jerry rappelte sich auf. »Becka … sie haben Becka. Wir müssen -«
    Troy verlagerte seine provisorische Keule in eine Hand und packte Jerry am Arm. »Wir müssen fliehen. Du kannst ihr nicht helfen, wenn du jetzt da reinstürmst. Es sind zu viele.«
    »Vergiss es. Ich werde sie da rausholen.«
    »Dabei wirst du draufgehen, und dann ist sie richtig am Arsch. Wenn du sie retten willst, hör mir zu. Wir werden sie holen, Mann. Das verspreche ich dir. Ich bin kein Schwein. Wir werden sie und Pauline nicht diesen Wichsern überlassen. Aber jetzt müssen wir erst mal hier weg, Mann. Komm schon.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit. Jerry zögerte und sah sich um, auf der Suche nach einer Spur von Becka. Doch sie war verschwunden. Die Kreaturen waren allerdings überall, und da sie nun wussten, wo er war, kamen sie in seine Richtung. Fluchend rannte er hinter Troy her.
    »Ich komme zurück, Becka«, brüllte er. »Halt durch, ich komme zurück!«
    Während er in die Finsternis rannte, glaubte Jerry zu hören, wie die Kreaturen lachten und sich über sein Versprechen lustig machten. Es war ein bösartiges Geräusch - und ein Zeichen von Intelligenz.
    Dann verschluckte ihn der Dschungel.

SIEBZEHN
    S tefan wartete. Er versteckte sich im Schlamm, hielt die Augen krampfhaft geschlossen, rührte sich nicht und atmete kaum. Seine Nase juckte, doch er wagte es nicht, sie zu kratzen. Ihm stiegen Tränen in die Augen. Er lag still da und lauschte auf Beckas panische Schreie, als sie fortgezerrt wurde. Er hörte Jerrys gequälte Rufe, als er erkannte, dass er ihr nicht helfen konnte. Er belauschte Troys drängende Versuche, ihn zur Flucht zu überreden. Er hörte Jeffs letztes, leises Keuchen, bevor er starb. Und während all dem blieb er reglos liegen. Stefan lauschte auf das seltsame Knurren und Schnaufen, als die Dinger - er fand, sie ähnelten mutierten Schimpansen - ihre Opfer untersuchten. Er unterdrückte ein Schaudern, als er die feuchten schmatzenden Geräusche und die befriedigten Grunzer hörte, die sie beim Fressen erzeugten.
    Noch lange nachdem alle Geräusche verklungen waren, blieb er ruhig und verharrte regungslos. Selbst dann war er noch vorsichtig. Er öffnete ein Auge, nur einen Spaltbreit, dann das andere und wartete, bis seine Sicht sich wieder geschärft hatte.
Im Lager blieb es totenstill. Selbst der Sturm schien nun zu schweigen. Als er sich sicher war, dass keine Kreaturen mehr in seiner Nähe waren, hob er den Kopf und sah sich um.
    Das Camp war verlassen. Selbst die Leichen waren verschwunden; anscheinend hatten die Angreifer sie mitgenommen. Soweit er das sagen konnte, waren von ihnen nur vereinzelte Pfützen mit blutigem Wasser, ein paar Kleidungsfetzen und ein einzelner Schuh übrig geblieben. Er wusste nicht, wem der gehört hatte.
    Stefan wischte sich den Schlamm aus Augen, Nase und Ohren. Dann suchte er sich eine Pfütze mit einigermaßen sauberem Regenwasser und schrubbte Hände, Arme, Haare und Gesicht sauber. Schließlich spülte er sich den Mund aus. Als er sich im leeren Camp umsah, wurde ihm bewusst, dass sich die Sicht ein wenig gebessert hatte. Die Dunkelheit schien nicht mehr ganz so undurchdringlich zu sein. Er schaute zum Himmel hoch und entdeckte ein paar blasse Sterne, die zwischen den dicken Wolken hindurchschimmerten. Der Mond war zwar noch teilweise verdeckt, aber wieder sichtbar.
    Vielleicht hatte er sich ja doch geirrt. Vielleicht war der Sturm wirklich vorbei. Der Regen war definitiv nicht mehr so heftig. Es war jetzt nur noch ein leichter Nebel, der eher durch die Luft zu schweben als vom Himmel zu fallen schien.Falls Ivan tatsächlich abzog, bestand die Möglichkeit, dass bald ein
Rettungstrupp kam. Stefan hoffte, dass Stuart geistesgegenwärtig genug war, mit seinem Satellitentelefon auf dem Schiff anzurufen, doch selbst wenn nicht, würde der Sender bestimmt jemanden schicken, der nachsehen sollte, ob es ihnen gut ging, sobald man wieder sicher fliegen konnte. Der Helikopter würde in der Nähe des Kreises der Sicherheit landen, also beschloss Stefan, dorthin zu gehen. Dieses Gebiet hatte auch strategische Vorteile. Es lag zwischen dem Strand und einer großen Lichtung. Wenn er sich dort positionierte, hätte er eine gute Sicht auf den Dschungel, und