Die Verschollenen
töten, bevor er geflohen war. Ihr Tod hatte den Rest des Stammes offenbar noch mehr angestachelt. Kein Wunder, dass so viele von ihnen die Verfolgung aufgenommen hatten. Der zweite Kryptid war an der Kehle aufgespießt worden. Jerry fiel auf, dass dieses Exemplar sichtbare Mutationen aufwies - es hatte Schwimmhäute an der linken Hand. Rosige, membranartige Hautlappen verbanden seine Finger miteinander. Durch das Gewebe zogen sich feine rote Adern. Jerrys Speer lag direkt neben der Leiche. Nachdem er ihn wieder an sich genommen hatte, schaltete er die Taschenlampe aus, was er allerdings sofort bereute. Die Dunkelheit schien sich vor seinen müden Augen zu verdichten und ihn noch stärker zu bedrängen als vorher.
Er schlich weiter, lauschte wachsam und hielt sich ständig bereit, sofort die Flucht zu ergreifen, falls mehr Kreaturen in seine Richtung kämen. Doch trotz seiner Befürchtungen schien das nicht zu passieren. Der Tunnel war völlig verlassen - wenn auch nicht still. Er konnte immer noch einige der Wesen
hören, aber jetzt waren die Geräusche gedämpfter als vorher. Es gab kein schrilles Jaulen oder wildes Brüllen mehr. Stattdessen drangen nun sanftes Quäken und leise Schreie zu ihm.
Jerry zögerte und verlagerte den Griff um seinen Speer. In seiner Handfläche hatte sich eine Blase gebildet, die nun aufplatzte, und er verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als die warme Flüssigkeit zwischen seinen Fingern hervorquoll.
Verdammt, Troy, dachte er. Was hast du dir nur dabei gedacht?
Aber so bizarr der Plan des Mechanikers auch gewesen war - er musste zugeben, dass er anscheinend funktioniert hatte. Jerry konnte es nicht erklären, aber irgendwie konnte er spüren, dass die Höhle nun leerer war. Seine gereizten Nerven beruhigten sich, und er schöpfte neue Hoffnung. Auch wenn die Steinwände die Geräusche als Echo zurückwarfen, was bezüglich ihrer Quelle und Entfernung stark verwirrte, schien die Geräuschkulisse sich nicht zu ewegen. Jerry schlich vorsichtig und geräuschlos vorwärts. Der Geruch nach Holzfeuer wurde stärker und der Lärm nach und nach lauter.
Als er eine sanfte Biegung erreichte, entdeckte er vor sich orangefarbenes Glühen. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Der Schein flackerte und zuckte.
Feuer. Das erklärt den Rauch. Aber der muss durch eine
andere Öffnung abziehen. Sonst wäre mehr Rauch im Tunnel.
Jerry duckte sich, hielt sich dicht an der Wand und schob sich näher heran. Der Tunnel endete abrupt in einer riesigen, hohen Höhle. Er kroch langsam weiter, bis er in den Raum schauen konnte. In der Mitte der Höhle brannte ein großes Feuer. Der Rauch schwebte langsam durch einen natürlichen Abzug, der in der Mitte der Höhlendecke lag, nach draußen. An den Wänden entdeckte er weitere Malereien. Die groben Bilder zeigten verschiedene Szenen und Figuren. Einige waren schlichte Darstellungen von Vögeln, Eidechsen und Fischen. Andere waren komplexer. Auf einem jagte eine Gruppe von mit Speeren bewaffneten Stammesmitgliedern ein Tier, das starke Ähnlichkeit mit einem Schwein aufwies (einem normalen Schwein, nicht den schweineköpfigen Gestalten, die er auf den anderen Bildern gesehen hatte). Ein anderes Bild zeigte die Kryptiden, wie sie am Strand standen und eine Gruppe Menschen begrüßten, die in einem Boot saß. Ein drittes schien zunächst völlig unverständlich zu sein. Es bestand aus nichts als Kringeln und Punkten. Nachdem er es einen Moment betrachtet hatte, erkannte Jerry, dass es sich dabei um den Nachthimmel über der Insel handelte. Das letzte Bild zeigte eine hoch aufragende Figur, die wie eine Kreuzung aus Gorilla und Katze aussah. Sie stand bedrohlich vor drei Kryptiden, die sich vor ihm zu Boden geworfen
hatten. Jerry hatte den Eindruck, dass sie die Gestalt anbeteten.
Es war eindeutig, dass der Stamm verkümmerte. Auf ihren eigenen Malereien benutzten sie Werkzeuge und Waffen, und es gab eine Art Gottheit und Religion, aber die Kreaturen, denen sie bislang begegnet waren, schienen von all dem weit entfernt zu sein.
Jerry konzentrierte sich wieder auf die Aufgabe, die vor ihm lag. Die verbliebenen Stammesmitglieder waren über den ganzen Bau verteilt. Die meisten von ihnen wirkten angespannt und besorgt. Soweit er es sehen konnte, hatten die meisten Männchen die Verfolgung von Troy aufgenommen und die Weibchen und Jungen zurückgelassen. Es waren noch ein paar zahnlose alte Männchen
Weitere Kostenlose Bücher