Die Verschwörer von Kalare
als dass das Mädchen möglicherweise das Bewusstsein verlieren könnte.
»Araris?«, fragte Isana mit schmerzerfüllter Stimme.
»Sie hat Glück gehabt«, sagte er kurz. »Aber wir müssen uns verstecken, Herrin.«
»Ich bin nicht deine Herrin«, erwiderte Isana unwillkürlich.
»Sie ist ein hoffnungsloser Fall«, seufzte Alia, und ihre Stimme klang, als würde sie sich zu guter Laune zwingen. »Kommt. Verschwinden wir hier.«
Araris und Alia halfen Isana zur Höhle. Sie brauchten dafür viel länger, als es Araris recht war, doch Isana konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Immerhin schafften sie es schließlich
zu dieser Höhle, einem der Unterschlupfe, den die Kundschafter von Septimus vorbereitet hatten, falls jemand von der Legion Zuflucht vor einem dieser heftigen Elementarstürme oder einem Winterorkan suchen musste, die gelegentlich vom Eismeer herüberkamen.
Der Eingang war hinter dichten Büschen verborgen, und die Höhle führte im Zickzack in den Berg, so dass von hinten kein Licht nach draußen dringen und die Anwesenden verraten konnte. Sie endete in einem kleinen Raum, der vielleicht doppelt so groß war wie das gewöhnliche Zelt eines Legionare . Eine kleine Feuerstelle war eingerichtet und mit Brennholz ausgestattet. Einen stillen, kleinen Bach hatte man umgeleitet, er floss nun in der hinteren Ecke an der Wand herunter, bildete einen kleinen Tümpel und verschwand wieder im Stein.
Alia half Isana neben dem Feuer auf den Boden, und Araris entzündete es mit der Beiläufigkeit einer kleinen Elementarkraft. Er forderte auch die Elementarlampen zum Scheinen auf, und sie brannten mit kleinen scharlachroten Flammen. »Kein Bettzeug, fürchte ich«, sagte er. Er zog sich den roten Mantel aus und rollte ihn zu einem Kissen zusammen, das er Isana unter den Kopf schob.
Die Augen der jungen Isana waren glasig vor Schmerz. Bei jeder Wehe drückte sie den Rücken zum Hohlkreuz durch, und sie biss die Zähne zusammen, um nicht laut loszuschreien.
Die Zeit verstrich, wie sie es in Träumen nun einmal tut, unendlich langsam, obwohl sie eigentlich raste. Isana erinnerte sich selbst nur noch an wenig aus dieser Nacht vor vielen Jahren, nur noch an den ständig wiederkehrenden Schmerz und die dauernde Angst. Sie hatte keine klare Vorstellung, wie lange sie eigentlich in dieser Höhle gelegen hatte, doch außer einem kurzen Gang nach draußen, bei dem er ihre Spuren verwischte, hatte Araris sie unentwegt über Stunden beobachtet. Alia saß neben ihr, wusch ihr die Stirn mit einem feuchten Tuch und flößte ihr zwischen den Wehen Wasser ein.
»Ritter«, sagte Alia schließlich, »irgendetwas stimmt nicht.«
Araris biss die Zähne zusammen und blickte sie an. »Was denn?«
Die heutige Isana holte tief Luft. Sie konnte sich an diese Worte nicht erinnern. Ihre eigene Erinnerung an ihre Schwester endete mit einem verschwommenen Bild, als Alia ihr Tränen und Schweiß aus den Augen gewischt hatte.
»Das Kind«, sagte Alia. »Ich glaube, es hat sich nicht richtig gedreht.«
Araris starrte Isana hilflos an. »Was können wir tun?«
»Sie braucht Hilfe. Eine Hebamme oder einen Heiler.«
Araris schüttelte den Kopf. »Im ganzen Calderon-Tal gibt es keinen einzigen Wehrhof. Die Wehrhöfer werden erst im nächsten Jahr eintreffen.«
»Die Legionsheiler?«
Araris starrte sie unverwandt an. Schließlich sagte er: »Wenn von denen noch einer leben würde, wäre er längst hier angekommen.«
Alia blickte ihn überrascht an und runzelte die Stirn. »Ritter?«
»Nur der Tod könnte meinen Fürsten davon abhalten, zu deiner Schwester zu kommen«, erwiderte Araris leise. »Und wenn er tot ist, dann war die Streitmacht der Marat zu groß, und die ganze Legion ist mit ihm gefallen.«
Alia starrte ihn an, und ihre Unterlippe begann zu zittern. »A-aber …«
»Jetzt herrschen die Marat im Tal«, fuhr Araris fort. »Die Verstärkung aus Riva und Alera Imperia wird kommen, vermutlich schon vor Ende des heutigen Tages. Doch im Augenblick wäre es Selbstmord, diese Höhle zu verlassen. Wir bleiben, bis es wieder sicher ist.«
Isana bekam die nächste Wehe, hechelte und biss auf ein Stück eingerolltes Leder vom Gurt des Singulare , obwohl sie nach all den Stunden ohnehin zu schwach war, um laut zu schreien. Alia kaute auf der Unterlippe, und Araris schaute Isana hilflos zu.
»Dann …« Alia straffte sich und hob das Kinn. Es war für Isana
heute eine herzzerreißende Geste, der Versuch eines Kindes, sich als
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