Die Verschwörer von Kalare
meinen Händen waschen. Lass mich gehen. Für mich ist hier nichts mehr geblieben.«
Sie wandte sich Faede zu und nahm sein Gesicht in ihre schlanken, blassen Hände. Sie spürte diese quälende Schuld, diesen Schmerz, diese Selbstvorwürfe, diesen bodenlosen Quell der Trauer. »Was geschehen ist«, sagte sie ruhig, »ist nicht deine Schuld. Es war schrecklich. Ich bin selbst unglücklich wegen der Ereignisse. Doch du hast sie nicht in Gang gesetzt.«
»Isana …«, flüsterte Faede.
»Du bist auch nur ein Mensch«, fuhr Isana fort. »Wir alle machen Fehler.«
»Aber meine …« Araris schüttelte den Kopf. »Ich hätte auf den Ausgang der Schlacht vielleicht Einfluss gehabt. Wenn Septimus überlebt hätte, wäre er der größte Erste Fürst geworden, den Alera je gesehen hat. Er hätte einen Erben mit großen Kräften gehabt. Und eine wunderbare, mitfühlende Frau an seiner Seite. Und all dies wäre niemals geschehen.«
»Vielleicht«, sagte Isana sanft. »Vielleicht auch nicht. Aber du kannst nicht die Taten Tausender und Abertausender Menschen gegen dich ins Feld führen. Du musst loslassen.«
»Ich kann aber nicht.«
»Doch, du kannst«, widersprach Isana. »Es war nicht deine Schuld.«
»Tavi«, sagte Faede.
»Das ist ebenfalls nicht deine Schuld, Faede.« Isana holte tief Luft. »Sondern meine.«
Faede sah sie an. »Wie?«
»Ich habe ihm das angetan«, flüsterte Isana. »Als er noch ein Säugling war. Wann immer ich ihn badete, dachte ich daran, was es bedeuten würde, wenn er plötzlich die Begabung seines Vaters an den Tag legt. Wie das die Aufmerksamkeit auf ihn lenken und ihn als Gaius’ Erben brandmarken würde. Und zum Ziel aller machthungrigen Irren machen würde, die sich unbedingt auf den Thron setzen wollen. Zuerst habe ich gar nicht begriffen, was ich
ihm angetan habe.« Sie blickte Faede unverwandt in die Augen. »Aber auch nachdem es mir bewusst geworden war, hörte ich nicht auf, Faede. Im Gegenteil, ich habe es weiterhin getan. Ich habe sein Wachstum künstlich gehemmt, damit er jünger aussah, als er in Wirklichkeit war, und niemand jemals auf den Gedanken kommen würde, dass er Septimus’ Kind sein könnte. Und dabei habe ich auch irgendwie seinen Verstand verändert. Ich habe verhindert, dass seine Begabungen zutage treten, bis sich die Wasserelementare im Wehrhof ganz daran gewöhnt hatten und ich kaum noch daran zu denken brauchte.
Anders als du wusste ich genau, was ich tat. Und deshalb trage ich an diesem Krieg genauso viel Schuld wie du.«
»Nein, Isana«, entgegnete Faede.
»Doch«, erwiderte sie leise. »Und aus diesem Grund bleibe ich hier. Bei dir. Wenn du stirbst, werde ich mit dir sterben.«
Faede riss die Augen auf. »Nein, Isana. Bitte nein. Lass mich einfach allein.«
Sie ergriff seine Hände. »Niemals. Ich werde dir nicht erlauben, einfach so zu verschwinden, Araris. Und bei den Krähen und beim Donner, deine Pflichten sind noch lange nicht erfüllt. Du hast Septimus einen Eid geleistet.« Sie drückte seine Hände und starrte ihm in die Augen. »Er war dein Freund. Du hast ihm etwas versprochen.«
Araris starrte sie ebenfalls an, zitterte und blieb stumm.
»Ich weiß, wie schwer deine Seele verletzt worden ist - aber du darfst nicht aufgeben. Du kannst dich jetzt nicht einfach vor deiner Pflicht drücken, Araris. Dazu hast du kein Recht. Du wirst deine Arbeit fortführen. Oder du wirst Septimus gegenüber wirklich versagt haben, wenn du dein Leben einfach wegwirfst - und mich mit dir sterben lässt.«
Er begann zu weinen.
»Araris«, sagte Isana behutsam. Sie ergriff sein Kinn und hob seinen Kopf, bis er ihr in die Augen blicken musste. Dann verlangte sie sanft: »Entscheide dich.«
48
Amara lächelte das kleine Mädchen an und streckte ihr die Arme entgegen.
»Mascha«, sagte Rook leise. »Das ist Gräfin Amara. Sie wird dich von hier fortbringen.«
Das kleine Mädchen runzelte die Stirn und klammerte sich fester an Rook. »Aber ich will diesmal mit dir kommen.«
Rook blinzelte heftig, ehe sie sagte: »Ja, diesmal gehen wir zusammen fort, Kleines. Wir treffen uns draußen.«
»Nein«, sagte das Mädchen und ließ die Mutter nicht los.
»Willst du denn gar nicht mit Amara fliegen?«
Das kleine Mädchen blickte auf. »Fliegen?«
»Wir treffen uns auf dem Dach.«
»Und dann gehen wir fort und holen uns Pferdchen?«, fragte Mascha.
Rook lächelte und nickte. »Ja.«
Mascha strahlte ihre Mutter an und leistete keinen Widerstand mehr, als sie von
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