Die Verschwörer von Kalare
einem Hechtsprung durch das Loch, als die Fürstin
gerade die schwere Kette in eine Hand nahm und mit einem verächtlichen Ruck aus der Wand zog, wobei ein Steinblock von der Größe eines Kopfs daran hängen blieb.
Amara fiel.
Mascha schrie wieder, während sie nach unten trudelten, und Amara rief verzweifelt nach Cirrus. Es war ein Wettlauf gegen die Schwerkraft. Obwohl der Elementar sie und Mascha problemlos tragen konnte, dauerte es seine Zeit, bis er einen ausreichend starken Windstrom aufgebaut hatte, und der Fall vom Turm nach unten würde nicht lange dauern.
Na ja, es sei denn, ihr Sturz würde nicht abgebremst werden: In dem Fall würde die Höhe mehr als genügen.
Plötzlich heulte Wind um sie herum auf, wie der trotzige Schrei eines geisterhaften Schlachtrosses, und die wolkig-nebelhafte Pferdegestalt, als die Cirrus ihr erschien, verwandelte den Sturz in eine Vorwärtsbewegung, kaum zwei Fuß über dem Boden. Amara änderte die Richtung und nutzte den Schwung des Falls, um sich wieder nach oben zu katapultieren.
Und nun schrie Mascha auch nicht mehr vor Angst, sondern vor Freude und Aufregung, was Amara ihr nicht verübeln konnte. Nur leider war ihr klar, dass die Zitadelle von einer kleinen Legion Windelementare bewacht wurde, deren einziger Zweck darin bestand, unerwünschten Windwirkern das Leben schwer zu machen. Cirrus konnte sich vermutlich durchschlagen, im Augenblick jedenfalls, allerdings war es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis Amara aus der Luft geholt werden würde.
Besorgt schaute sie zum Turm hinauf und sah Rook, die mit den Füßen nach vorn durch das Loch in der Wand glitt und über die Kante rutschte. Einen Moment lang befürchtete Amara, sie würde abstürzen. Aber die ehemalige Blutkrähe hielt sich an den Seidenlaken fest, die sie am Schrank angebunden hatte. Rook drehte sich im Fallen und schwang in Richtung Wand und federte den Aufprall mit den Füßen ab wie eine erfahrene Bergsteigerin.
Nachdem Rook das Zimmer ebenfalls verlassen hatte, konnte Fürstin Placida sich die Gargyle vornehmen, ohne einen ihrer Verbündeten zu gefährden. Von dort oben war entsetzliches Krachen zu hören, und durch das Loch wallten Staubwolken nach draußen. Weitere Alarmglocken wurden überall im Palast geläutet. Amara hörte Schreie aus dem Turm, die durch Mark und Bein gehenden Laute von Männern und Frauen, die Todesqualen leiden; voller Schrecken begriff sie, dass es dort viel mehr Gargyle geben musste als nur die vier im Schlafzimmer. Schließlich stieß jemand in ein Signalhorn und blies eine klare Abfolge von Tönen - die Unsterblichen, vermutete sie, die auf den Alarm reagierten und sich nun auf ein gemeinsames Vorgehen vorbereiteten.
Amara flog wieder nach oben zu dem Zimmer und schwebte ein Stück vor dem Loch, wo sie hoffte, außerhalb Sprungweite der Gargyle zu sein. »Fürstin Placida!«
Zehn Fuß unterhalb des ersten Lochs in der Wand explodierte der Stein erneut, und mit den Trümmern flog einer der Gargylen nach draußen durch eine Öffnung, die deutlich größer war als die obere. Das Monstrum stürzte in die Tiefe, ruderte wild mit den Armen, schlug unten auf den Boden und zersprang in tausend Steinsplitter.
Amara riss den Kopf hoch - keinen Augenblick zu spät: Einer der anderen Gargyle sprang in das obere Loch, funkelte sie mit seinen grünen Augen an und duckte sich, um sich auf Mascha zu werfen.
Die Kursorin wich zur Seite aus, doch ehe der Gargyl angreifen konnte, traf ihn ein riesiger Steinblock, an dem eine Kette hing, und stieß ihn in die Tiefe, wo ihn das gleiche Schicksal wie seinen Artgenossen ereilte.
Die Fürstin erschien in der Öffnung. Die Kette hing noch immer an ihrem Halsring. Sie hielt sie wie einen Streithammer. Nachdem sie Amara kurz zugenickt hatte, setzte sie den schweren Stein ab und trennte die Kette durch, wobei sie sich ungefähr so
sehr anstrengen musste wie eine Näherin, die einen Faden zerreißt. »Fertig! Hinauf zum Dach!«
»Wir sehen uns oben!«, rief Amara. Sie schwebte aufwärts, während die Fürstin Placida Rook wieder zurück in das Schlafzimmer holte. Kurz danach hörte Amara es abermals krachen, vermutlich, als die Tür aufgebrochen wurde, und dann landete sie auf dem Dach der Zitadelle und suchte die Umgebung rasch nach weiteren Gargylen oder Wachen ab. Doch das Dach war leer, jedenfalls im Augenblick.
Die glatte Fläche des Daches wurde nur von zwei Dingen unterbrochen, zum einem von einer viereckigen Öffnung in der
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