Die Verschwörer von Kalare
eingeschlafen, während ihre Wange auf Maschas Locken ruhte. Das Gesicht des Mädchens war im Schlaf rosig von der Wärme. Fürstin Placida und Elania dösten ebenfalls.
»Zehn Minuten vielleicht«, sagte Amara. »Sobald die Fürstin Aquitania sich ein bisschen ausgeruht hat, wird sie diese Seile durchreißen und die anderen befreien. Aber ohne ein Gefährt für ihre Gefolgsleute müsste sie uns ganz allein verfolgen. Das wird sie kaum tun, selbst wenn Fürstin Placida nicht in der Lage wäre, ihr öffentliches Ansehen arg in Mitleidenschaft zu ziehen und ihr die Unterstützung der Dianischen Liga abspenstig zu machen, wenn sie dort über ein Mordkomplott aussagt.«
Bernard nickte. »Ich verstehe«, sagte er. »Und was hält ihre Träger davon ab, uns einfach auf dem Boden abzusetzen und zu ihr zurückzukehren?«
»Sie sind Söldner, mein Liebster. Wir haben ihnen Geld geboten. Sehr, sehr viel Geld.«
»Gut«, meinte Bernard. »Schön. Obwohl, eine Frage hätte ich noch … warum haben wir sie ohne Kleider zurückgelassen? Um sie zu behindern?«
»Nein«, schnaubte Amara. »Weil diese Hexe die Demütigung verdient hat.«
In Bernards Augenwinkeln bildeten sich Fältchen, und er drückte ihr einen sanften Kuss auf den Mund und einen auf jedes Augenlid. Amaras Augen wollten sich, nachdem sie einmal zugefallen
waren, nicht mehr öffnen, und sie lehnte sich an Bernards behaglich warmem Körper an und war eingeschlafen, ehe sie noch zufrieden seufzen konnte.
51
Tavi zitterte im Regen und bemühte sich, es vor den Männern zu verbergen, obwohl er sich nach nichts so sehr sehnte wie nach Wärme und Schlaf.
Die Aleraner hatten sich auf den nächsten Angriff vorbereitet, der vermutlich in weniger als einer Stunde stattfinden würde. Fackeln und Elementarlampen verdrängten die Dunkelheit besser als bei dem ersten vernichtenden Schlag, den sie hatten einstecken müssen, und die Legionares hatte sich geschickter aufgestellt und sahen dem Feind mit größerer Entschlossenheit entgegen.
Zumindest hoffte Tavi das.
Tavi stand mit Valiar Marcus auf der letzten Lehmmauer. Der Erste Speer humpelte zwar noch stark, wegen der Wunde durch den Canim-Spieß. Das Bein war mit einem blutbefleckten Tuch abgebunden und die Wunde mit Nadel und Faden geschlossen, woran man erkennen konnte, wie überarbeitet Foss und die anderen Heiler waren. Für gewöhnlich hätte man eine solche Wunde geschlossen und so behandelt, dass der Erste Speer vollkommen geheilt in den Kampf zurückkehren konnte. Doch die Heiler hatten so viele Wunden behandelt und die schlimmsten geschlossen, damit die Schwerstverwundeten zumindest am Leben blieben, bis sie später anständig versorgt werden konnten, dass der Erste Speer, wie es hieß, einfach nur einen Veteranen gebeten hatte,
ihm den Spieß aus dem Bein zu ziehen, und die Wunde danach selbst gereinigt, genäht und verbunden hatte. Daraufhin war er auf seinen Posten zurückgekehrt.
Unablässig fiel kalter Regen vom Himmel. Wenn gelegentlich ein roter Blitz durch die Wolken zuckte, sah man kaum etwas anderes als diese Vorhänge aus Tropfen. Tavi hatte in der Dunkelheit eine Bewegung ausgemacht, doch wegen der Verteidigungsanlagen, die sie quer über die Brücke errichtet hatten, konnte er nichts Genaues erkennen.
Nun ja, allein die Tatsache, dass er auf der Mauer stehen konnte, verriet ihm eines: Die Katapulte der Canim schleuderten im Augenblick keine tödlichen Geschosse mehr.
»Ich dachte, du würdest auf der Liste der Verwundeten stehen, Erster Speer«, sagte Tavi.
Marcus sah auf den Legionare , der ihnen am nächsten stand, und senkte die Stimme, damit niemand außer Tavi ihn hören konnte: »Ich habe noch nie so viel vom Lesen gehalten, Hauptmann, und schon gar nicht von Listen.«
»Bist du kampffähig?«, fragte Tavi.
»Ja, Hauptmann«, sagte Marcus. »Ich werde zwar keine Rennen laufen, aber auf einer Mauer kann ich stehen.«
»Gut«, sagte Tavi leise. »Wir können dich gut gebrauchen.«
»Hauptmann«, sagte Marcus, »wir haben keine Möglichkeit zu erfahren, ob sie ihre Krieger zurückgezogen haben.«
»Ja. Aber es würde Sinn ergeben«, antwortete Tavi. »Die Krieger sind ihre Nussknacker. Dann kommen die Plünderer und erledigen den Rest. Damit vermeiden sie Verluste bei den besseren Soldaten und geben den Plünderern Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln.«
»Es ergibt keinen Sinn«, brummte Marcus. »Noch ein richtiger Angriff, und wir wären am Ende.«
»Ich weiß das«, sagte Tavi,
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