Die Verschwörung
Rekord aufzustellen, Holly«, warnte Foaly über die Lautsprecher. »Das Shuttle ist nicht für hohe Geschwindigkeiten gedacht. Ich habe schon Zwerge gesehen, die aerodynamischer gebaut waren.«
Holly grunzte missmutig. Was machte es für einen Sinn, langsam zu fliegen? Und wenn man mit seinen Flugkünsten zufällig auch noch ein paar Oberirdischen Angst einjagen konnte, war das gleich doppelt so lustig.
Der Zuleitungstunnel öffnete sich zum Hauptschacht. Artemis schnappte nach Luft. Der Anblick war Schwindel erregend. Man hätte den Mount Everest in diesen Schacht werfen können, und er hätte nicht einmal die Seitenwände berührt. Vom Erdinnern flackerte ein tiefrotes Glühen herauf, wie die Feuer der Hölle, und das unablässige Krachen der Felswände, die sich in der Hitze dehnten, ließ den Rumpf des Shuttles erbeben.
Holly warf alle vier Triebwerke an und jagte das Shuttle hinunter in den Abgrund. Ihre Sorgen lösten sich auf wie die Dunstschwaden vor den Scheiben des Cockpits. Es war ein altes Pilotenspiel - je tiefer man sich fallen ließ, ohne den Bug wieder hochzuziehen, desto mutiger war man. Selbst der dramatische Tod von Bergungs-Officer Bom Arbels konnte die ZUP-Piloten nicht vom so genannten Erdkerntauchen abbringen. Holly hielt den aktuellen Rekord: Erst fünfhundert Meter oberhalb des Erdkerns hatte sie die Klappen ausgefahren - was ihr zwei Wochen Suspendierung und eine happige Geldstrafe eingebracht hatte.
Aber heute nicht. Keine Rekordversuche mit einem Knaller. Als die Erdanziehungskraft bereits die Haut an ihren Wangen nach hinten drückte, zog Holly das Steuer zu sich heran, so dass die Nase des Shuttles sich aus der Vertikalen hob. Sie grinste in sich hinein, als sie die beiden Menschenwesen an ihrer Seite Seufzer der Erleichterung ausstoßen hörte.
»Okay, Foaly, wir sind auf dem Weg. Wie ist die Lage oben?«
Sie hörte, wie der Zentaur auf seiner Tastatur herumhämmerte. »Tut mir Leid, Holly, aber ich bekomme keine Verbindung zu unserer Anlage an der Oberfläche. Zu viel Strahlung von der letzten Magmawoge. Du musst da allein durch.«
Holly warf einen Blick auf die beiden blassen Oberirdischen neben sich.
Allein?, dachte sie. Schön wär's.
Paris
Wenn es also nicht Artemis war, der Cudgeon half, die B'wa Kell zu bewaffnen, welcher Oberirdische war es dann? Irgendein tyrannischer Diktator? Oder ein rachsüchtiger General, der Zugang zu einem unbegrenzten Batterievorrat hatte? Nein, nicht ganz.
Der Verkauf der Batterien an die B'wa Kell ging auf das Konto von Luc Carrère. Obwohl er gar nicht wie ein Verbrecher aussah. Tatsächlich wusste er selbst auch gar nichts davon. Luc war ein erfolgloser französischer Privatdetektiv, berüchtigt für seine Unfähigkeit. Im Kollegenkreis hieß es, er sei sogar zu dämlich, einen Golfball in einem Fass Mozzarella wiederzufinden.
Cudgeon hatte Luc aus drei Gründen ausgewählt. Erstens galt Carrère laut Foalys Datenbank als gewiefter Geschäftemacher. Denn obwohl er sich als Privatdetektiv dumm anstellte, hatte Luc ein Talent dafür, genau das zu beschaffen, was sein Kunde gerade suchte. Zweitens war der Mann geldgierig und konnte keiner Gelegenheit widerstehen, sich ein paar Extrascheine zu verdienen. Drittens war Luc stockdumm. Und wie jedes unterirdische Kind weiß, lassen sich dumme Menschenwesen vom Blick leichter beeinflussen.
Die Tatsache, dass er in Foalys Datenbank auf Carrère gestoßen war, hätte Cudgeon sogar fast zum Lächeln gebracht. Natürlich wäre es ihm lieber gewesen, kein Menschenwesen in der Kette zu haben, aber eine Kette, die nur aus Kobolden besteht, ist dann doch eine zu dumme Kette.
Mit einem Oberirdischen in Verbindung zu treten, war nichts, was Cudgeon auf die leichte Schulter genommen hätte. So größenwahnsinnig er auch war, wusste er doch sehr genau, was passieren würde, wenn die Menschen erst Wind von dem neuen Markt bekamen, der sich unter der Erdoberfläche auftat. Wie ein Schwarm gefräßiger roter Ameisen würden sie über Erdland herfallen. Und Cudgeon war noch nicht bereit, den Kampf gegen die Menschen aufzunehmen. Noch nicht. Erst wenn er die geballte Macht der ZUP hinter sich hatte.
Also schickte er Luc Carrère zunächst ein kleines Päckchen. Express, mit sichtgeschützter Kobold-Post.
So fand Carrère eines Abends im Juli, als er in sein Büro geschlurft kam, einen Karton auf dem Schreibtisch vor, der aussah wie eine Lieferung von Fed-Ex. Jedenfalls auf den ersten Blick.
Luc
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