Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
Anzeigen- und Abonnentenrückgang.
»Wir müssen uns den modernen Gepflogenheiten anpassen. Soziale Netzwerke, unmittelbarer Kontakt zu unseren Leserinnen und Lesern. Flagge zeigen. Auch durchaus so etwas wie eine Streitkultur entwickeln.«
Wieso sieht er mich dabei an? Alle anderen merken es auch und schauen mich jetzt ebenfalls an.
»Ich erwähne bloß den Shitstorm gegen Constanze Corzelli auf Facebook.«
Woher weiß er das? Woher weiß Milkers überhaupt, was Facebook ist? Vor kurzem noch hat er das Internet mit dem Browser verwechselt und den Briefträger bedauert, weil der jetzt auch E-Mails austragen muss. Aha, ich ahne es. Rasmus.
»Aber wir müssen das zu unseren Gunsten ausnutzen, wenn uns die Konkurrenz nicht überholen soll. Noch sind wir das führende Frauenmagazin der Republik! Herr Borcherts? Darf ich bitten.«
Rasmus erhebt sich, es ist mucksmäuschenstill im Raum. Neben mir streicht sich Ella instinktiv über ihren Rock. Ich hasse das.
»Ja, Herr Milkers... Meine Damen.... meine Herren... soziale Netzwerke. Einige von Ihnen sind bei Facebook, wie festzustellen ich mir erlaubt habe.«
Boah, wie der redet! Theologe!
»Aber Sie sind dort als Privatpersonen, nicht als Repräsentanten der Zeitschrift. Die, nebenbei, gar nicht bei Facebook ist.«
Ein leicht tadelnder Blick zu Milkers hin? Rasmus traut sich was, das muss man ihm lassen.
»Nun, was nicht ist, kann man leicht ändern. Ich werde in den nächsten Tagen eine Fanseite unserer Zeitschrift auf Facebook installieren. Aktuelle Informationen für die Leserschaft und direkten Kontakt zu Ihnen, den Redakteurinnen und Redakteuren. Außerdem planen wir, Herr Chefredakteur Milkers und ich, die Einrichtung eines Blogs, um gewisse Themen zu vertiefen und die Leserbindung zu intensivieren. Mit einigen der Anwesenden habe ich dabei etwas Besonderes vor« - jetzt bäumt sich diese Kuh von Hungerbühler tatsächlich auf und reckt ihr Becken in die Höhe! Na warte, du royales Miststück! - »was, das werde ich dann in Einzelgesprächen erläutern. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«
Artig klopfen wir auf die Tischplatte. Milkers erklärt die Redaktionskonferenz für beendet, wir begeben uns zurück an unsere Arbeitsplätze. Bis auf Rasmus und die Hungerbühler. Sie bleiben sitzen und setzen ihre offenbar sehr angeregte Unterhaltung fort. Ich koche. Vor Wut natürlich.
Aber hey, was soll das? Die Hungerbühler ist zwei Jahre jünger als ich, zwischen uns steht also fast eine Generation... Und wenn er lieber mit jungen Dingern ins Bett hüpfen möchte – bitte sehr! Vielleicht zieht sie dann ja eine Tarnkappe an.
Die Schlinge zieht sich zu
»Spätestens übermorgen schalten wir die Webseite online! Das wird ein Fest!«
Ich höre Thea nur mit einem Ohr zu. Das andere bemüht sich vergebens, die Balzgeräusche drei Tische weiter zu entziffern. Dort sitzt Rasmus. Schön. Mit der Hungerbühler. Unschön.
»Wir haben ne geile Grafik bekommen! Drei richtig pralle Hintern in hautengen Jeans! Und darüber der Schriftzug DIE VERSCHWÖRUNG DER FETTEN FRAUEN! Wie findest du das?«
»Hm, prima, klasse, kommt bestimmt gut.« Mein Herz hat stillgestanden, als ich ins Café Meier gekommen bin und die beiden dort hinten sitzen gesehen habe. Hab natürlich so getan, als würde ich sie nicht sehen. Schiefgegangen. Rasmus hat mir zugenickt und sehr unsicher gelächelt. War ihm peinlich. Warum eigentlich? Wir haben doch nichts miteinander oder hab ich was verpasst? Wie der seine Hormone regelt, ist mir doch so was von egal! Dieser Schuft!
»Und das Beste, du glaubst es nicht: Sabine Müller wird einen großen Artikel schreiben! Constanze Corzelli und die Rharbarberlüge!«
Hm, doch, glaube ich. Weiß ich doch. Vorgestern hat Sabine Müller mit Thea gechattet. Sabine war so was von stinksauer! Weil Paula Pfaff, das arme Hascherl, Rasmus auf dem Flur begegnet ist und sie haben sich kurz angelächelt und Rasmus hat überarbeitet ausgesehen und gestresst, weil er doch die Website relaunchen muss, wobei Paula sich unter »relaunchen« überhaupt nichts vorstellen kann. Sie haben sich also zugelächelt und »hallo« gesagt und sind aneinander vorbeigegangen und das war's.
Und davon wird abends dann Sabine Müller sauer? Ja, so ist das, wenn man die gespaltenen Persönlichkeiten nicht unter Kontrolle hat.
Ich habe mir fetten Kartoffelsalat mit Knackwurst bestellt. Aber richtig fett! »Und sparen Sie nicht an der Mayonnaise!« habe ich Elvira noch nachgerufen,
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