Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
laut genug, dass die Hungerbühler zusammengezuckt ist und mich dann schief angegrinst hat. Ignorieren. Die mit ihrem hellrosa Sommerkleidchen, den mageren Armen und den Beinen, mit denen sie für jede Orange werben könnte.
»Geht's dir gut?« fragt Thea besorgt.
»Ja, klar, warum soll's mir nicht gutgehen?« frage ich naiv zurück. »Nur ein bisschen im Stress, aber das kennst du ja. Wie ist Sabine Müller so? Nett?«
Sie sei sehr nett, beteuert Thea. »Wir haben uns lange unterhalten, sie wohnt leider ziemlich weit weg, aber sie hat prima Argumente gegen diese Corzelli und überhaupt. Sie ist eine von uns.«
Eine von uns. Ich habe keine Ahnung, was Sabine Müller schreiben soll. Das Heft mit dem Rhabarberjoghurt ist seit drei Tagen am Kiosk, schon bringt mir der Bote jeden Tag zwanzig Zuschriften begeisterter Leserinnen. »Ich habe gar nicht gewusst, dass Rhabarber auch ungesüßt so schmecken kann! Und schon 300 Gramm abgenommen!« Okay, ich weiß immer noch nicht, dass ungesüßter Rhabarber schmecken kann. Aber wisst ihr was? Ich muss ihn auch nicht essen, ha ha! Ich habe mich entschlossen, fett zu werden, so richtig fett, der Gegenentwurf zur Hungerbühler sozusagen. Gestern Morgen habe ich sie mit Rasmus in der Kaffeeküche erwischt. Sie haben natürlich so getan, als wollten sie sich nur Kaffee holen, Zufall, Zufall. Aber sie standen sich gegenüber wie Torero und Stier, wobei man nicht sagen konnte, wer wer sein sollte. Wild. Ekstatisch. Bereit, aufeinander loszustürmen.
Heute ist einfach nicht mein Tag. Gestern war nicht mein Tag. Schweigen wir ganz von vorgestern und vorvorgestern. Morgen wird schon gar nicht mein Tag sein, das weiß ich jetzt schon. Als Frau Mitte vierzig kannst du froh sein, wenn du überhaupt noch deine Tage hast. Früher hast du sie verflucht, jetzt sehnst du sie herbei wie die Wüste den Regen.
»Ich bin mal gespannt, ob diese Constanze auf Sabines Artikel reagieren wird. Mann, das wäre obergeil!«
Wird sie, wie ich sie kenne. Mein Gott, ich sollte alles hinwerfen! Mit jeder Gabel Kartoffelsalat, die ich in mich reinschaufele, wird mir klarer, dass ich mein Leben ändern muss. Raus aus diesem Hamsterrad, weg von Rhabarber und Kalorien.
Du hast einfach Angst vor dem Älterwerden, sagt die Sabine Müller in mir. Ja, schon gut, spar dir deine Weisheiten. Ich weiß selber, was mit mir los ist. Ich will nicht einmal mit Monat durch Clubs ziehen und schauen, ob ich auch noch einen Mann für eine Nacht abschleppen kann. Mich nicht abends fragen müssen, was ich eigentlich den ganzen Tag gemacht habe. Nicht zusehen, wie mein Körper welkt. Eigentlich... möchte ich nur noch auf einer Couch sitzen, fernsehen, mich pausenlos mit Kartoffelsalat und Würstchen mästen, eine glückliche und zufriedene fette Dame sein, die die Welt an sich vorbeirauschen lässt und in deren Kopf kein Platz für Zynismus und Resignation ist.
»Espresso?« Wenn Thea diese Frage stellt, brauche ich nicht mehr zu antworten. Sie hat auch schon Elvira ein Zeichen gemacht, zwei ausgestreckte Finger, Elvira hat genickt.
Bevor uns Elvira mit den Muntermachern versorgt, steuert sie den Tisch von Rasmus und der Hungerbühler an. Aha, die wollen zahlen. Immerhin tun sie es noch getrennt. Daniela lacht. So haben wir früher geweint. Rasmus, ganz Gentleman, hilft ihr ins Jäckchen. Sie kommen an unserem Tisch vorbei. Die Hungerbühler dreckig grinsend, Rasmus versucht ein Lächeln, es misslingt ihm fürchterlich.
»Kollegen?« fragt Thea. Ich nicke. »Ja, aber kaum Kontakt. Die Frau ist übrigens die Busenfreundin von Constanze Corzelli. Vielleicht noch schlimmer als die. Guck sie dir an. Nichts als Haut und Knochen.«
»Und Augen wie eine Kuh, wenns donnert«, kichert Thea. »Aber der Typ sieht ganz nett aus, oder?«
Ich schnappe nach Luft. »Ach, vergiss den. Womanizer durch und durch. Der zahlt mehr Alimente als der Papst.«
»Trotzdem«, lacht Thea und zwinkert mir zu. »Eine Sünde wäre der wert, oder?«
Ich erspare mir die Antwort, es ist sowieso Zeit, zurück ins Büro zu gehen und die neue Kolumne zu konzipieren. »Fit statt fett! Fünf Strategien für eine straffe Haut«. Mehr als diese Überschrift habe ich noch nicht. Und wieso »fünf Strategien«? Keine Ahnung. Für zehn reicht der Platz nicht und drei sind zu wenig.
Wo ist die Hungerbühler? Nicht an ihrem Arbeitsplatz. Flirtet sie wieder in der Kaffeeküche? Oder ist sie in seinem Büro, schaut ihm scheininteressiert über die Schultern und
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