Die Verschwoerung der Fuersten
ein paar Worte mit Fastrada und dem jungen Mädchen wechselte. Obwohl sie ihr schon einige Male in Worms begegnet und überraschend freundlich von ihr gegrüßt worden war, hatte die Burggräfin sie noch nie aufgesucht. Als Matthäa sich verabschiedet hatte und auf sie zukam, fragte sich Garsende, was ihr wohl fehlen mochte.
»Setzt Euch doch«, bot Garsende an.
Matthäa hatte ihrer Magd beschieden, draußen zu warten, und war der Heilerin ins Haus gefolgt. Sie setzte sich und sah sich neugierig um. Garsendes Heim war angefüllt mit Töpfen und Krügen, denen ein Gemisch aus scharfen und süßen Gerüchen entströmte. Kräutersträuße, Zwiebelgirlanden und Pflanzenbündel baumelten, fein säuberlich aneinandergereiht, zum Trocknen von der niedrigen Decke. Über dem Herdfeuer hing ein schwerer Eisentopf, in dem ein scharf riechender Sud köchelte. Ein Schneidbrett lag neben einigen Wurzeln, an denen noch feuchte Erde haftete, auf dem Tisch, andere hatte sie bereits gesäubert und in einem flachen Korb aufgestapelt.
Während Matthäa ihre Stube einer Prüfung unterzog, musterte Garsende ihre Besucherin. Trotz ihres Lächelns wirkte die Haltung der Burggräfin verkrampft, und ihre frische
Gesichtsfarbe konnte über die Schatten unter ihren Augen nicht hinwegtäuschen.
»Ich war überrascht, Fastrada hier zu begegnen«, bemerkte Matthäa endlich. »Ich hoffe doch, ihr fehlt nichts Ernstes?«
»Ein Anflug von Melancholie, der sie nachts nicht schlafen lässt«, antwortete Garsende leichthin. Sie nahm den Korb und die Wurzeln vom Tisch, um Platz für einen Krug mit Lavendelwein zu schaffen, den sie ihrem hohen Gast anbieten wollte.
Matthäa warf ihr einen abwägenden Blick zu. Es war ein langer Blick, doch was immer er ihr auch sagen mochte – was sie sah, schien die Burggräfin zu befriedigen. »Es ist wohl eher die Sorge wegen ihres Tunichtguts von Gatten, die ihr nachts den Schlaf raubt«, sagte sie überraschend offen, und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Es heißt, Ludger stelle den Röcken nach und es bliebe dabei nicht nur beim Anschauen.«
Garsende seufzte. »Das mag ein Grund für ihre Unruhe sein. Doch mir will scheinen, als würde sie noch mehr bedrücken.«
»Du hast ein scharfes Auge, Heilerin. Ich denke, du hast Recht«, sagte Matthäa, und ihr Lächeln vertiefte sich. »Elgard, Ludgers Mutter, scheint im Haus das Zepter zu schwingen, und Fastrada hat offenbar nicht viel dabei zu sagen.« Sie schwieg einen Moment, schien zu überlegen, dann trübte sich ihr Blick, und ihre Stimme wurde spröde. »Hinzu kommt, dass Elgard ihr gram ist, weil Fastrada ihrem Mann noch keine Kinder geschenkt hat.«
Garsende merkte auf. Das schien ein wunder Punkt zu sein, den anzusprechen der Burggräfin augenscheinlich schwerfiel. Sie ließ den Weinkrug Weinkrug sein, setzte sich Matthäa gegenüber auf einen niedrigen Schemel und legte ihre Hände ruhig in den Schoß.
Die Burggräfin räusperte sich. »Ich sollte so etwas nicht sagen«, seufzte sie. »Man kann es Elgard wohl nicht verdenken, dass sie sich Kinder im Haus wünscht.«
»Ihr habt auch noch keine Kinder?«, fragte Garsende behutsam. Matthäa schüttelte den Kopf und brach in Tränen aus.
Die Glocken hatten die Vesper verkündet, und im Haus des Burggrafen war endlich Ruhe eingekehrt. Die Abgaben seiner Lehnsleute und Pächter, die schon heute ihren Michaelipfennig gebracht hatten – Säcke mit Dinkel und Roggen, Äpfel, Saubohnen und goldener Weizen; Wachteln, ein Ferkel, Hühner und Eier -, waren in Scheune und Keller verstaut worden. Prosperius hatte berichtet, dass bei den Zöllnern noch alles seine Ordnung hätte, und eine vorsorgliche Überprüfung seines Beutels hatte nurmehr Bosos Bußpfennig zutage gefördert. Auch Bandolf selbst war erfolgreich gewesen. Sein Besuch beim Scholasticus des Domstifts, Bruder Goswin, hatte ihm neue Erkenntnisse über Erzbischof Adalbert von Bremen beschert.
Im Lauf der vergangenen Jahre war aus seiner und Goswins gemeinsamer Vorliebe für die Werke der alten Griechen und Römer, namentlich die von Vergil, eine Freundschaft erwachsen, die auf gegenseitigen Respekt gegründet war. Bruder Goswins größte Leidenschaft galt jedoch seiner Chronik. Er arbeitete schon seit Jahren daran, denn sie sollte vom Anbeginn der Zeit bis zum heutigen Tag alle wichtigen Ereignisse rund um Stadt und Dom beinhalten. Bandolf kannte niemanden, der über all die Fürsten, welche die Geschicke des Reiches lenkten und
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