Die Verschwoerung der Fuersten
vielköpfige Familie schlief und den er in der Dunkelheit nur schemenhaft erkennen konnte.
»Da schnarcht Gutrun, mein altes Weib«, gluckste er und wollte sich plötzlich ausschütten vor Lachen. Er presste seine Hände vor den Mund, damit er nicht lauthals herausprustete und womöglich noch jemanden aufweckte.
Das würde ihm jetzt noch fehlen, wenn seine Gutrun daherkäme, auf der Gasse krakeelte und wissen wollte, wohin er wohl um die späte Stunde unterwegs sei. Nein, jetzt hieß es Maul halten und schlau sein!
Und ich bin schlau, dachte Schnorr triumphierend. Einer, der nicht so schlau war wie er, der hätte doch nicht gewusst, was tun, aber er, Schnorr, ja, er hatte die Gunst der Stunde genutzt und das Rechte getan. Ab morgen würde er es sich wohl sein lassen. Seine Gerbgrube konnte sein Ältester bestellen, und er würde vielleicht nach Bamberg gehen, nach Würzburg oder nach Köln. In Köln, hieß es, ließe sich gut leben, wenn man wüsste, wie man es anstellen musste. Vielleicht würde er auch eine große Pilgerfahrt machen, nach Santiago de Compostela zum Grab des heiligen Jacob, oder gar nach Rom, wo es unvorstellbare Reichtümer und Wunder zu sehen gab.
Schnorr verlor sich in seinen Träumereien und hatte unversehens die Gerbgruben erreicht. Ein Knacken, das in der nächtlichen Stille laut wie ein Donnerschlag klang, ließ ihn zusammenzucken. Schnorr fuhr herum und starrte in die finstere Gerbergasse zurück, aus der er gekommen war. Die Umrisse der Hütten schienen ein wenig zu schwanken. Der Gerber hielt den Atem an und kniff die Augen zusammen. War da hinten jemand? Ein dunkler Schatten, der sich von all den anderen dunklen Schatten abhob und näher kam?
Vielleicht ist er das schon?, beruhigte er sich.
Er war sich ziemlich sicher, dass er früh genug losgegangen war, um noch vor ihm bei den Gruben zu sein, wo sie sich verabredet hatten. Aber die Suche nach der Lampe hatte
ihn aufgehalten, und vielleicht hätte er ja doch lieber auf den einen oder anderen Humpen Bier verzichten sollen.
Eine Weile starrte und lauschte Schnorr noch, dann wandte er sich ab, schlurfte an den Gruben der anderen Gerber vorbei, duckte sich unter den aufgespannten Häuten hindurch und machte an seiner eigenen Grube Halt.
Jetzt hieß es warten.
Schnorr musste nicht lange neben seiner Grube ausharren. Er kam, wie er es versprochen hatte, mit einem gut gefüllten Säckel, und der Handel war schnell abgeschlossen. Breit grinsend nahm Schnorr seinen Lohn in Empfang, wog den Beutel zufrieden in seiner Hand und dachte an Rom, wo es die feinsten Wirtsstuben gab, wo die Huren jung und glut äugig waren und mit nichts als ihrer Haut am Leib tanzten, wo der Wein reichlich floss und sogar die Börsen der Pfaffen gut gefüllt und locker am Gürtel hingen.
Gleich morgen werde ich den Beutel vergraben, aber vorher gönne ich mir noch einen Schlummertrunk, beschloss er und leckte sich in Vorfreude die Lippen. Laut sagte er: »Nun, da wir beide einig geworden sind …«
Weiter kam er nicht. Kräftige Hände lagen plötzlich um seinen Hals und drückten zu. Der Beutel entglitt ihm und fiel auf den Boden. Von blankem Entsetzen gepackt, fühlte er seinen Urin warm an seinen mageren Schenkeln hinunterlaufen. Er japste und rang nach Luft.
»Hast du jemandem davon erzählt?«, raunte die vertraute Stimme an seinem Ohr. »Heraus damit, und lüge mich ja nicht an, sonst quetsche ich dir dein restliches bisschen Leben aus dem Hals.«
Schnorr wand sich in wilder Panik, würgte und krächzte hervor, was der Mann offenbar hören wollte.
Der Druck ließ nach, und Schnorr schnappte erleichtert nach Luft. Doch der Augenblick währte nur kurz. Die Finger
gruben sich noch tiefer in seinen Hals, pressten zu, bis Schnorrs Kopf zu bersten schien und seine Traumgespinste zerstoben.
Der Burggraf erwachte noch vor Morgengrauen. Sein Arm war eingeschlafen und prickelte pelzig. Der Fensterladen, den er am vergangenen Abend nur angelehnt hatte, stand weit offen, und kalter Wind blies ihm ins Gesicht. Noch halb im Schlaf bewegte Bandolf die Finger und stellte fest, dass er seinen Arm nicht heben konnte. Er öffnete erschrocken die Augen und starrte auf ein Bündel aus grauem Fell, das eingerollt auf seiner Armbeuge ruhte. Penelope blinzelte ihn verschlafen an. Grunzend schubste er die schwere Katze von seinem Arm herunter, und sogleich begann das Blut darin wie tausend Nadelstiche durch seine Adern zu kreisen. Ein deftiger Fluch entfuhr ihm.
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