Die Verschwoerung der Fuersten
gelenkt hatten, so viel wusste wie Goswin.
Der Burggraf saß am Ende der Halle und starrte abwesend auf die aufgeschlagenen Seiten eines Buches. Fackeln an der Wand gegenüber warfen ihr flackerndes Licht auf die Buchstaben
und die Bilder, mit denen der Text geschmückt war. Seine Hauseigenen hatten sich bereits vor der Feuerstelle der Halle niedergelegt, und ihr Schnaufen und Schnarchen begleitete Bandolfs Gedanken.
Matthäa, die über einer qualmenden Talglampe bei ihm saß und sich damit abgemüht hatte, einen Riss in seinem Obergewand zu stopfen, legte ihre Näharbeit beiseite und rieb sich die Augen. Dann warf sie einen nachdenklichen Blick auf ihren schweigsamen Gatten.
»Euch muss etwas Unangenehmes beschäftigen, wenn Ihr so lange in dieses Buch stiert, ohne auch nur einmal umzublättern«, bemerkte sie. Bandolf fuhr aus seinen Grübeleien auf.
»Das könnt Ihr wohl laut sagen«, platzte er heraus. »Der fette Adalbero hat mir den Auftrag erteilt, den Mann zu finden, der Adalbert von Bremen vergangene Nacht angegriffen hat. Auf ausdrückliches Geheiß des Königs. Und das jetzt zu Michaeli, wo ich genug anderes um die Ohren habe.«
»Du meine Güte.« Matthäa runzelte besorgt die Stirn.
»Und weil das eigentlich die Aufgabe des Kämmerers wäre, nimmt er mir das Ansinnen des Königs übel. Ich stehe ja ohnehin nicht in der Gunst des Bischofs. Da könnt Ihr Euch vorstellen, was passieren wird, wenn ich den Dieb nicht finde. Wenn es denn überhaupt ein Dieb gewesen ist.«
»Aber wer sollte es denn sonst gewesen sein?«
»Das muss Euch nicht bekümmern«, sagte Bandolf, fuhr aber gleich damit fort, ihr zu erklären, was sie nicht zu bekümmern brauchte. Matthäa lächelte.
»Wenn man Bruder Goswin glauben darf – und ich habe keinen Grund, es nicht zu tun -, dann kämen eine ganze Reihe von Männern in Frage, denen es sehr gelegen käme, wenn Adalbert das Zeitliche segnen würde«, erklärte er und klappte Vergils Äneis zu.
Er war sehr stolz auf seine kleine Bibliothek. Sie bestand aus einer Bibel, die er von seinem Vater geerbt hatte, aus einem mit Gold umrandeten Stundenbuch, das ihm der verstorbene Bischof Arnold geschenkt hatte, einer Abschrift des Augenzeugenberichts von Dictys Cretensis über den Trojanischen Krieg und aus Vergils Äneis. Sie war ihm das liebste Buch, und obwohl er äußerst sorgfältig mit seinen Schriften umging, war das Kalbsleder der Hülle an den Rändern schon abgewetzt.
Seufzend strich Bandolf über den Einband, stand dann auf und begann, vor der Bank hin und her zu laufen.
»Nehmt als Beispiel den Erzbischof von Köln. Um nur einen zu nennen«, betonte er. »Während der Vormundschaft über den König haben sowohl Anno von Köln wie auch Adalbert von Bremen viele Pfründe und Ländereien des Reiches mit offenen Armen verteilt. Adalbert hat in das Säckel seiner eigenen Kirche gewirtschaftet, und Anno hat die Güter sich selbst, seiner Verwandtschaft und den Fürsten zugeschanzt, um sich bei ihnen lieb Kind zu machen.«
»Wo liegt denn da der Unterschied?«, wollte Matthäa wissen.
»Anno will die Macht in seinen eigenen Händen wissen, unterstützt von den Fürsten und mit Papst Alexander als Oberhaupt des Reiches. Wenn es so weit käme, wäre Heinrich jedoch nur noch ein Schattenkönig in den Fängen der Fürsten und völlig abhängig vom Papst«, erläuterte er. »Adalbert dagegen verfolgt andere Ziele. Wie es scheint, will er seine nordische Diözese zur Eigenkirche des Reiches erheben, unabhängig von Rom und mit dem König als Oberhaupt. Damit macht er sich aber nicht nur Anno von Köln zum Feind, sondern auch die Fürsten, die befürchten, der König könne auf diese Weise zu viel Macht in den Händen halten und ihre eigenen Privilegien beschränken.«
Endlich blieb er stehen und sagte nachdenklich: »Als ich
zur Bestätigung meines Amts in der Bischofspfalz gewesen bin, habe ich selbst bemerkt, wie man über Adalberts Anmaßung und seine ständigen Forderungen an die königliche Schatulle geflüstert hat. Die Fürsten sind eifersüchtig auf den Einfluss, den Adalbert auf den jungen König ausübt, und sie neiden ihm die Gunst, mit der Heinrich ihn überschüttet.«
»Aber steht der König denn nicht ohnehin über den Fürsten, und haben nicht alle ihm Treue geschworen?«, protestierte Matthäa. »Wie können sie denn jetzt gegen ihn handeln?«
»Pah«, schnaubte Bandolf. »Was gilt den hohen Herren ein Treueschwur, wenn es sich um Land und Macht
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