Die Verschwoerung der Fuersten
Richenza also ab«, sagte Garsende. »Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass er selbst gebunden und das Mädchen noch dazu dem Bruder versprochen ist.« Ihre Finger stießen auf etwas Weiches. »Ein Täubling!«, rief sie erfreut, grub den Pilz aus und warf der Magd einen triumphierenden Blick zu, die ihren Fund mit einem Brummen quittierte.
»Ach, Unsinn«, widersprach Adeline. Der Blickwechsel zwischen Magd und Heilerin schien ihr glücklicherweise entgangen zu sein. »Ludger wies Richenza ab, weil sie ihm nicht hübsch genug war. Du hast sie doch gesehen.« Adeline warf Garsende einen Blick zu, als wundere sie sich über ihre Einfalt. »Richenza wollte das nicht wahrhaben. Sie war eifersüchtig auf jede Frau, die Ludger zu nahe kam. Und natürlich besonders auf die arme Fastrada.«
»Die arme Fastrada?«
»Ich glaube, Ludger war nicht gut zu ihr.«
Garsende stand auf und packte Pilz, Wegerich und die Schornigelblätter in ihren Beutel. »Und Hermia?«, fragte sie. »Sie scheint mir auch unglücklich über den Tod Eures Bruders zu sein. Womöglich rührt daher ihr Unwohlsein. War sie auch vernarrt in Ludger wie Richenza?«
Adeline, die höchstens zwei Sommer mehr erlebt hatte als Rainalds blutjunge Schwester, rümpfte die Nase.
»Hermia?«, rief sie aus. »Hermia ist viel zu jung und viel zu fromm, um an Mannsbilder auch nur zu denken. Ihr größter Wunsch wäre, bei den Nonnen aufgenommen zu werden. Und sie ist unglücklich, weil ihre Familie ihr nicht gestatten will, den Schleier zu nehmen. Nein, Hermia hat nichts anderes im Kopf, als in Pater Emerams Kapelle um ihr Seelenheil zu beten, das kannst du mir glauben. Sie heult schon seit Wochen und nicht erst, seit Ludger tot ist.«
»Tatsächlich«, murmelte Garsende.
Die Magd, die jetzt voranging, drehte sich immer wieder um, damit sie Adeline nicht etwa aus den Augen verlöre. Sicher würde sie ihrer Herrin Rede und Antwort stehen, sobald Elgard von Adelines Begegnung mit der Heilerin erfuhr. Ob Garsende ihr Interesse an den Geschehnissen allzu offen bekundet hatte?
Adeline fuhr unbefangen fort: »Fastrada hat sehr an Ludger
gehangen. Sie grämte sich aber, weil er ihr oft fernblieb. Das hat sie mir selbst gesagt. Außerdem wollte sie unbedingt ein Kind, einen Sohn, denn sie glaubte wohl, dass meine Mutter sie dann nicht mehr so streng behandeln würde.« Ärgerlich setzte sie hinzu: »Seit Fastrada von Ludgers Tod erfahren hat, ist sie wie ausgewechselt und macht uns alle ganz närrisch mit ihrem Geschwatze. Aber das weißt du ja selbst.«
Garsende nickte: »Sie ist sehr durcheinander, das stimmt. Doch weiß ich nicht, ob nur der Tod ihres Gatten sie krank macht oder ob da noch etwas anderes ist. Ich könnte ihr weit besser helfen, wenn ich mehr wüsste.«
»Ach, da ist nicht mehr. Wenn sie nicht gerade weint und ihr Unglück beklagt, dann unkt sie, sie könne sich wohl denken, wer Ludger ins Grab getrieben hätte. Mutter gegenüber verhält sie sich plötzlich widerspenstig und aufbrausend. Das hätte sie früher nicht gewagt. Und dazwischen hackt sie wie ein hungriger Habicht auf Rainalds kleiner Schwester herum.«
»Heilige Maria, Muttergottes«, seufzte Garsende. »Und wen hat Fastrada als Mörder ihres Gatten in Verdacht?«
»Das ist es ja!«, rief Adeline und warf die Arme hoch. »Sie schwatzt nur düster daher und ergeht sich in Andeutungen, mit denen niemand etwas anfangen kann. Wenn du mich fragst, dann ist das alles nur dummes Gerede, mit dem sie sich wichtig machen will. Mutter ist wütend auf Fastrada und hat ihr gedroht, sie in ihre Kammer zu sperren, wenn sie nicht mit ihrem Geplapper aufhört. Sie befürchtet, dass unsere Hörigen Fastradas Geschwatze aufschnappen und womöglich dumme Gerüchte verbreiten. Mutter würde alles tun, um den Ruf unserer Familie zu schützen.«
Die windschiefen Hütten der Vorstadt kamen in Sicht, und Adeline ging langsamer. Offensichtlich genoss sie den
Plausch mit der Heilerin, frei von der Leber weg und außerhalb der Argusaugen ihrer Mutter, und schien ihn noch ein Weilchen auskosten zu wollen. Die Magd hatte nicht bemerkt, dass ihr Schützling zurückgefallen war, und schritt weiter kräftig aus.
»Andeutungen?«, half Garsende dem Mädchen auf die Sprünge.
Adeline zuckte mit den Schultern. »Wie lang die Nächte seien, wenn man warten muss. Und was man nicht alles sehen würde, wenn der Mond erst aufgegangen wäre. So etwas in der Art. Mutter hat uns zu den Nonnen geschickt, damit sie
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