Die Verschwoerung der Fuersten
ein schmächtiges Ding wie Hermia ein Leichtes gewesen, seinen Dolch zu nehmen und ihm die Kehle aufzuschlitzen. Die Wunde an Ludgers Hals war unsauber. Das würde zur Hand eines Weibes passen.«
»Und was ist mit den Malen an Ludgers Hals, von denen Ihr in der Hafergasse gesprochen habt? Sagtet Ihr nicht, Ludger wäre vielleicht gar nicht an dem Schnitt durch seine Kehle gestorben?«
»Die Abdrücke waren nur schwach, bläulich verfärbte Halbmonde, die kaum zu sehen waren«, meinte Bandolf und runzelte die Stirn. Die Male an Ludgers Hals hatte er in der Tat schon fast wieder vergessen.
»Und wie hätte ein so zartes Weib wie Hermia Ludgers Leichnam zum Grabkreuz schleppen wollen?«
»Diesen Liebesdienst könnte Rainald seiner Schwester erwiesen haben«, sagte Bandolf trocken. »Sie hat Ludgers Leiche beim Beinhaus liegengelassen. Dann trifft sie auf ihren Bruder und erzählt ihm, was sie getan hat. Rainald, der seiner Familie Kummer und Schande ersparen will, kehrt zum Beinhaus zurück, schleppt den toten Ludger zur Grabstelle und tut alles Nötige, damit es so erscheint, als wäre Ludger ausgeraubt und seiner Habe wegen ermordet worden.«
Darauf wusste die Heilerin nichts zu sagen. Sie seufzte. Doch etwas störte Bandolf bei seiner eigenen Ausführung, und er strich sich grübelnd über seinen Bart. Dann fiel es ihm ein. »Die Frage ist nur: Warum hat Rainald nicht alles von Wert an sich genommen?«
»Vielleicht wurde er gestört, bevor er sein Werk beenden konnte«, schlug Garsende vor.
»Möglich. Auf der anderen Seite …«, überlegte Bandolf laut. »Nehmen wir einmal an, es wäre so gewesen, wie Rainald
behauptet hat. Und ein anderer hätte Ludger getötet und zur Grabstelle geschleppt. Nun will der Meuchler alles so herrichten, dass jedermann glauben muss, Ludger wäre einem Halsabschneider zum Opfer gefallen. Er nimmt dem Toten Schmuck und Waffen ab und zieht ihm den Mantel aus. In diesem Moment kehrt Rainald zurück, um Ludger auf dem Kirchhof zur Rede zu stellen, und der Mörder kann sein Vorhaben nicht vollenden. Nein, er muss sich vor Rainald verstecken. Und so bleibt Ludger nur halb beraubt auf der Grabstelle liegen.«
Garsende ging auf sein Spekulieren ein. »Warum hat der Mörder ihm denn nicht später den Rest abgenommen? Nachdem Rainald gegangen war?«, fragte sie.
Bandolf grinste. »Aber Rainald hatte Ludger schon tot gesehen. Er hätte sich später daran erinnert, dass Ludger noch Hemd, Stiefel und Beinlinge trug, als er ihn gefunden hat. Vielleicht hat der Mörder auch gar nicht abgewartet, bis Rainald den Kirchhof wieder verließ, sondern hat sofort das Weite gesucht, als er den jungen Mann kommen sah.«
»Dann muss der Mord an Ludger also gar nicht Hermias oder Rainalds Werk gewesen sein?«, schloss Garsende mit einem kleinen Lächeln.
Das Loch in Adalbert von Bremens Dalmatika und das verschrumpelte Gesicht des toten Gerbers glitten an Bandolfs innerem Auge vorbei. »Tod und Teufel, nein«, brummte er widerstrebend.
Sie trennten sich in der Münzergasse. Während Garsende ihren Weg zu Bandolfs Heim fortsetzte, um dort nach Hildrun zu sehen, hielt ein Büttel den schlechtgelaunten Burggrafen von seiner ersehnten Mahlzeit fern. In der Kapelle St. Nazarius, die zum Kloster Lorsch gehörte, war offenbar ein kostbarer Kelch entwendet worden. Der Sakristan hatte dem kleinen Büttel die Hölle heiß gemacht und verlangt,
der Burggraf müsse sich dieses perfiden Diebstahls persönlich annehmen. Als mögliche Täter hatte er dem überforderten Büttel eine ganze Anzahl von Namen um die Ohren geschlagen und endlich noch darauf hingewiesen, dass die Sünde der Missgunst auch vor einem gewissen Kirchenfürsten nicht Halt machen würde. Als der Burggraf vor der Pforte der kleinen Kapelle eintraf, fand er jedoch einen kleinlauten Sakristan vor, der peinlich berührt zugab, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt. Mit vor Ärger hochrotem Gesicht deutete er auf einen jungen Novizen, der mit gesenktem Kopf neben ihm stand. »Adelmar hat den Kelch unverzeihlicherweise an sich genommen und verabsäumt, es mir sagen«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Der Burggraf warf einen Blick auf den Knaben, der vergeblich sein spitzbübisches Grinsen unter der Kapuze seiner Novizentracht zu verbergen trachtete.
Um Streiche dieser Art war Bandolf selbst nicht verlegen gewesen, als sein Vater noch das Amt des Vogtes in einem Kloster ausgeübt und er dort zusammen mit den
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