Die Verschwoerung der Fuersten
Er war in seiner Schlafkammer, und die Dämonen der Finsternis in seinem Traum waren nur ein Alp gewesen, der ihn genarrt hatte. Vorsichtig schob er Matthäas Arm beiseite, drehte sich um und schloss die Augen. Doch der Schlaf wollte sich nicht wieder einstellen. Obwohl die Schreckensbilder seines Traums bereits verblasst waren, hatten sie ein beklemmendes Gefühl in ihm hinterlassen und geisterten schemenhaft noch immer durch
seinen Kopf. Nach einer Weile stand er seufzend auf und zog sich im Dunkeln an. Leise, um niemanden zu wecken, schlich er die Treppe hinunter in die Halle, stieg vorsichtig über die Leiber seiner Hauseigenen, die um die schwach flackernde Feuerstelle schliefen und schnarchten. Auf dem Tisch entdeckte er noch einen Krug mit kaltem Würzwein, der vom Abendbrot übriggeblieben war, und schenkte sich ein.
Filiberta blinzelte, als sie ihren Herrn herumhantieren hörte. »Kann ich etwas für Euch tun?«, fragte sie undeutlich.
»Schlaf weiter«, brummte der Burggraf. Filiberta schaute ihm schlaftrunken zu, bis er die Halle mit dem weingefüllten Becher in der Hand verließ, dann legte sie sich kopfschüttelnd zurück und war kurz darauf wieder eingeschlafen.
Der Regen hatte aufgehört, und Bandolf setzte sich auf die Mauer zum Kräutergarten, um in der nächtlichen Stille seine durcheinandergeratenen Gedanken zu ordnen. Kaum hatte er den ersten tiefen Schluck aus seinem Becher getrunken, erschreckte ihn ein dunkler Schatten, der aus einer verborgenen Ecke des Gartens plötzlich vor ihm auftauchte und neben ihn auf die Mauer sprang.
»Du hast mich zu Tode erschreckt«, keuchte der Burggraf und zog seine Hand vom Dolch an seinem Gürtel zurück. Penelope, deren Mäulchen noch blutig von ihrer letzten Mahlzeit war, gönnte dem großen Mann an ihrer Seite nur einen kurzen Blick, bevor sie sich mit augenscheinlicher Leidenschaft der Säuberung ihres Fells widmete. Bandolf sah ihr eine Weile zu, dann wanderten seine Gedanken zurück zu den Schemen seines Traums. Schaudernd fragte er sich, ob der Traum womöglich ein Omen gewesen war. Waren Schnorr und Ludger aus ihrem Todesschlaf erwacht, um ihn heimzusuchen, bis er ihre Mörder gefunden hatte?
»Ich gebe mir ja alle Mühe«, knurrte er laut. »Doch es scheint so, als würde das Bild meines Mosaiks immer unklarer werden, je mehr Steine ich dafür zusammentrage.«
Bandolf streckte die Hand aus, um die Katze zu streicheln, doch Penelope wich ihm aus und fuhr stattdessen mit ihrer rauen Zunge über seinen Daumen, als wolle sie ihn in ihr Reinigungsritual einbeziehen. Das kitzelnde Gefühl entlockte dem Burggrafen ein Lächeln.
»Die Engel der Finsternis und die ruhelosen Seelen von Ludger und dem Gerber haben mich heute Nacht heimgesucht«, raunte er vertraulich. »Sie wollen, dass ich ihren Mörder finde.« Offensichtlich unbeeindruckt, rieb sich Penelope mit einer feucht geleckten Pfote über ihre Ohren. Bandolf seufzte. »Je mehr ich über die unselige Geschichte mit der kleinen Dachenrod nachdenke, desto eher bin ich geneigt, Rainalds Geschichte zu glauben. Ich denke, dass der Mörder von Ludger und Schnorr ein und derselbe ist.«
Fest stand für ihn, dass Schnorr sich in der Nacht, als Adalbert von Bremen überfallen worden war, auf dem Kirchhof aufgehalten hatte. Zumindest hatte sich der Gerber dergestalt beim Fischerwirt geäußert. Was also lag näher als die Vermutung, dass Schnorr den Angriff beobachtet hatte?
»Ich denke, Schnorr hat den Attentäter erkannt«, sagte Bandolf. »Und als er sich davonmachte, fand er den Fetzen aus Adalberts Dalmatika, den der Angreifer auf seiner Flucht verloren hat. Schnorr beschließt, seinen Vorteil aus dem zu ziehen, was er gesehen hat, doch bevor er es wagt, den Attentäter aufzusuchen, berät er sich mit Ludger. Alfrad, der alte Knecht, beobachtet dieses Treffen und hört Teile des Gesprächs. Und sieht ein glänzendes Stück Stoff.«
Penelope erstarrte, spitzte die Ohren und schaute aufmerksam an Bandolf vorbei in den dunklen Kräutergarten. Der Burggraf folgte ihrem Blick, konnte aber außer den schwarzen Umrissen der Sträucher nichts erkennen.
»Was hast du denn?«, fragte er leise.
Penelope lauschte noch einen Augenblick, dann schien sie beruhigt zu sein und fuhr mit dem Putzen ihrer Ohren fort.
Bandolf schüttelte den Kopf und klaubte seine Gedanken wieder zusammen. »Wo war ich? Ja, richtig, Schnorr und Ludger. Und das Stück Stoff aus Adalberts Dalmatika. Der Gerber steckt das
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