Die Verschwoerung der Fuersten
Burggrafen gehört, sich mit Tand und Juwelen abzugeben.«
Bandolf lächelte. »Gewöhnlich muss ich das auch nicht«, erklärte er. »Doch diese Kette fand man versteckt im Schuh des ermordeten Ludger von Blochen. Es ist ein ganz ungewöhnliches Band mit Elfenbeinperlen, und offenbar sind arabische Schriftzeichen darin eingeritzt. Bruder Goswin will mir helfen herauszufinden, was es mit dieser Kette auf sich hat.«
»Tatsächlich«, sagte Folbert und rieb sich nachdenklich über die Stirn. »Wie eigenartig. Glaubt Ihr denn, die Kette hat etwas mit der Ermordung des unseligen jungen Mannes zu tun?«
»Wer weiß?«
Folbert kniff seine Augen zusammen. »Das also hat der Bruder Kämmerer gemeint«, sagte er nach einer Weile und warf dem Burggrafen einen hintergründigen Blick zu.
»Was hat der Bruder Kämmerer gemeint?«, fragte Bandolf neugierig.
»Ach, nichts weiter. Ich hörte ihn nur eine abfällige Bemerkung darüber machen, dass Bruder Goswin seine Zeit neuerdings mit eitlem Tand vergeudet, nur um dem Burggrafen gefällig zu sein.« Folbert lächelte über Bandolfs ver ärgertes Stirnrunzeln und sagte: »In einer kleinen Gemeinschaft wie der unseren im Kapitelhaus bleibt nichts lange geheim.«
Der Regen hatte kaum nachgelassen, da verabschiedete sich der Dekan vom Burggrafen. Seine Absicht, eine Angelegenheit in der Nähe von Bandolfs Anwesen zu regeln, hatte er offenbar aufgegeben, denn er bog eiligen Schritts in entgegengesetzter Richtung in die Hohlgasse ein. Kurze Zeit später verließ auch Bandolf seinen Unterstand und stapfte über den fast verwaisten Marktplatz nach Hause.
KAPITEL 15
S chnorr, der Gerber, tänzelte die Hafergasse entlang. Auf seinem schütteren grauen Haar, das nass an seinem knochigen Schädel klebte, prangte die rote Kappe der Hohen Geistlichkeit, als wäre er zum Bischof der Armen erkoren. Triumphierend schwenkte er eine Lanze vor sich her, auf der der Schädel Adalberts von Bremen aufgespießt war. Sein Hüpfen wurde zum wilden Tanz, Fetzen lösten sich aus seinem vermodernden Kittel und flogen in alle Richtungen. Leere Augenhöhlen starrten anklagend aus seinem eitrigen Gesicht in die Menge der Schaulustigen, die sich an seinem Reigen ergötzten. In Schnorrs Gefolge tanzten die Seelen der Verlorenen gleich Nebelgestalten, und glutäugige Dämonen mit verzerrten Fratzen flankierten den Aufmarsch der Toten. Vor der Pforte zu Ludgers Hof machte der grausige Reigen Halt, und dort erschien der Leichnam Ludgers selbst, um ihn zu begrüßen.
Vom Hemd abwärts war er nackt, und schon fraß das Gewürm an seinem Fleisch, doch sein Lustpfahl ragte stolz aufgerichtet über den bestickten Saum seines Hemdes. Zu seinen mit Erde bedeckten bloßen Füßen kauerte der Knecht Alfrad, schnarchend mit offenen Augen.
Hinter der Pforte hatten sich Ludgers Anverwandte und des Königs Gefolge in voller Zahl versammelt: Elgard und Sigurt, Detmar, Richenza und Adeline, Rainald und Hermia, furchtsam zitternd wie auch die Herzöge, Bischöfe, Grafen und Priester, und allen voran Adalbero, des Königs Bischof von Worms.
In ihrer Mitte stand eine hochgewachsene, dunkle Gestalt. Umhang und Kapuze so tief über den Kopf gezogen, dass niemand ein Gesicht erkennen konnte, umklammerte sie das Richterschwert von Worms.
Vor der Pforte schwenkte der tote Schnorr die Lanze mit Adalberts Kopf vor Ludgers Gesicht und rief mit dumpfer Grabesstimme, hier könne ein jeder sehen, auch der, welcher blind wäre. Ludger drehte sich um, und die Wunde an seinem Hals klappte auf und zu wie das Maul eines Raubfischs, als er anfing zu sprechen: »Gebt mir zurück, was Ihr mir genommen habt, sonst werde ich Euch heimsuchen bis zum Jüngsten Tag!« Seine Stimme schallte dröhnend über die Mauer, sein knorriger fleischloser Finger durchdrang den Stein und zeigte anklagend auf die dunkel verhüllte Gestalt. Hinter ihm und dem grotesken Körper des Gerbers drängten die tanzenden Dämonen vorwärts und verlangten schreiend Einlass. Der Schwertträger hinter der Pforte schlug seinen Umhang zurück und streifte langsam die Kapuze ab. Und Bandolf erkannte mit Entsetzen sein eigenes, schreckensbleiches Gesicht. Er riss das Schwert aus der Scheide, richtete die Klinge gen Himmel und brüllte.
Der Burggraf erwachte mit einem dumpfen Stöhnen, schweißnass am ganzen Körper, und wusste für einen Augenblick lang nicht, wo er sich befand. Dann fühlte er Matthäas Arm tröstlich auf seiner Brust ruhen und atmete erleichtert auf.
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