Die Verschwoerung der Fuersten
Beweisstück also wieder ein und geht. Was meinst du? Hat Ludger es dabei bewenden lassen?«, fragte er die Katze, die ihre Säuberung inzwischen beendet und ihren Kopf auf seinen Oberschenkel gebettet hatte. »Und wo ist es jetzt? Wir haben den Stofffetzen weder bei Schnorrs noch bei Ludgers Leiche gefunden.«
Bandolf spielte abwesend mit Penelopes Ohren. Die Katze begann, tief im Hals zu schnurren, und der Burggraf seufzte. »Vermutlich hat der Angreifer Schnorr das Stück Stoff abgenommen, nachdem er ihn getötet hatte, und sich dessen sofort entledigt. Jedenfalls hätte ich das getan.«
Eine Weile grübelte er über Ludgers Gespräch mit dem Gerber noch nach, dann wandten sich seine Gedanken dem nächsten Stein seines Mosaiks zu. »Als Nächstes musste Ludger sterben. Aber warum? Wenn sein Tod mit dem Mord an dem Gerber zusammenhängt, woher hat Schnorrs Mörder denn gewusst, dass der Gerber bereits geplaudert und ihn an Ludger verraten hat? Hat Schnorr es ihm selbst gesagt, bevor er umgebracht wurde? Oder hat der Attentäter, ebenso wie Alfrad, das Gespräch zwischen den beiden Männern belauscht?« Bandolf kniff die Augen zusammen und schüttelte dann den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Zu dem Zeitpunkt konnte der Attentäter noch gar nicht wissen, dass Schnorr ihn auf dem Pfalzhof erkannt hat, denn Schnorr hat sich zuerst an Ludger gewandt.«
Penelopes Kopf rutschte von seinem Schenkel, und sie stieß einen unmutigen Laut aus. Dann drehte sie sich zweimal
um sich selbst, während Bandolf reglos seinem Gedankengang nachhing, und ließ sich, mit dem Rücken an das stämmige Bein des Burggrafen gekuschelt, wieder nieder.
Bandolf fuhr fort: »Wichtiger scheint mir ohnehin die Frage, was Ludger mit dem, was er vom Gerber wusste, dann anfing. Hat Schnorr ihm überhaupt einen Namen genannt? Oder machte er nur Andeutungen über die Person des Angreifers? Und was hat Ludger daraufhin unternommen?«
Er ließ seine schwielige Hand über Penelopes Rücken gleiten und griff mit den Fingern in ihr dichtes Fell. Die Katze streckte sich, laut schnurrend in sichtlichem Wohlbehagen, und presste ihren Rücken an Bandolfs Schenkel.
»Nach dem Gespräch mit dem Gerber war Ludger mit seinem Onkel und einigen anderen Herren zur Jagd. Er verließ jedoch die Gesellschaft frühzeitig, kehrte in die Hafergasse zurück, nur um das Haus kurze Zeit später wieder zu verlassen, wie uns die alte Teudeline erzählt hat. Wo ist Ludger hingegangen? Hat er sein Wissen an diesem Abend einem Dritten anvertraut und ist dabei an den Falschen geraten?« Er beugte sich dicht über die Katze und fragte leise: »Wen mag ein Mann wie Ludger ins Vertrauen gezogen haben? Den Kämmerer? Den Bischof? Vielleicht gar Adalbert von Bremen selbst? Oder hat er sich Pater Emeram, seinem Beichtvater, anvertraut?« Bandolf runzelte die Stirn und dachte über den Priester nach, der kürzlich so unverhofft in seiner Halle aufgetaucht war und sie mit merkwürdigen Andeutungen, mit denen Bandolf nichts hatte anfangen können, wieder verlassen hatte. »Ich sollte vielleicht noch einmal mit dem guten Pater sprechen.«
Er trank einen langen Schluck aus seinem Becher, verzog das Gesicht über den schalen Geschmack des kalten Würzweins und goss den Rest in das Beet seiner Gattin. Dann ließ er den Becher gedankenlos fallen und sagte laut:
»Es besteht natürlich immer noch die Möglichkeit, dass
die beiden Morde nicht das Geringste miteinander zu tun haben und ich zwei Meuchler suchen muss. Den des Gerbers und den des Edelmanns.« Der Burggraf seufzte tief. »Vielleicht war es doch die junge Hermia, die in ihrer Verzweiflung ihrem Peiniger das Lebenslicht ausgeblasen, oder Rainald, der seine Schwester in einem unbedachten Augenblick des Zorns gerächt hat. Oder es war Sigurt, der nicht wollte, dass seine Betrügerei ans Licht kommt, oder Detmar, der seinen Bruder …«
Ein Erinnerungsfetzen flitzte durch seine laute Grübelei, und Bandolf stockte. Eine flüchtige Bemerkung, die Garsende gemacht hatte, drängte sich ihm auf. Der Burggraf saß stocksteif und stierte auf die dunkle Fassade seines Hauses, ohne etwas wahrzunehmen. Sollte er das Pferd gar von hinten aufgezäumt haben?
Hastig versuchte er, seine Steinchen neu zu ordnen, sodass die flüchtige Eingebung sich in sein Mosaik einfügen würde. Doch der neue Gedanke wollte nicht passen und brachte das ganze bisherige Gebilde durcheinander. Er war so tief in seine Gedanken verstrickt, dass er nicht einmal
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