Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verschwoerung der Fuersten

Die Verschwoerung der Fuersten

Titel: Die Verschwoerung der Fuersten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
Vom Netzwerk:
Buch, zerknüllte das kostbare Pergament und warf es in eine Ecke. Das Loch, das im Boden klaffte, starrte ihr entgegen. Fastrada lachte hysterisch auf, doch ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie konnte die Gegenstände in der Höhlung kaum noch erkennen. Ihr Mund schien wie ausgedörrt. Hastig griff sie nach dem Becher und leerte ihn mit einem langen Schluck. Der Wein stieg ihr jetzt schnell zu Kopf, und Hitze überflutete ihren Körper. Ungeduldig riss Fastrada den Holzverschlag des kleinen Fensters weit auf und kühlte ihre Wangen an den rauen Brettern. Das Talglicht flackerte in der Nachtluft, warf Schatten in die Ecken und Winkel der Kammer, und dann verdichteten sich die Schatten plötzlich zu dämonischen Fratzen und schemenhaften Gesichtern. Ludger forderte sie auf zum tollen Reigen, und Fastrada begann zu tanzen.
     
    Im Kapitelhaus lag Bruder Goswin auf seinem Nachtlager im Dormitorium und starrte an die Decke mit den schön geschnitzten Balken, die er in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Das Schnarchen seiner Brüder in Christo begleitete seine Gedanken. Goswin hatte den ganzen Tag damit verbracht, die Zeichen, die in die Elfenbeinkette geritzt waren, zu entziffern. In seinem Eifer hatte er gar nicht bemerkt, wie klamm seine Hände geworden waren und wie sehr ihm die Kälte des Scriptoriums in die Glieder gekrochen war. Als die Glocke ihn zur Vesper rief, tränten seine Augen so stark, dass er die Zeichen kaum noch sehen konnte. Er hatte beschlossen, die Arbeit an dem Perlenband am nächsten Tag fortzusetzen.
    Doch jetzt lag er auf seinem Lager und fand keinen Schlaf, und das Rätsel um die Kette, die der Burggraf ihm anvertraut hatte, ließ ihm keine Ruhe. Leise, um seine Mitbrüder nicht zu stören, erhob er sich und schlich sich hinaus. Vorsichtig stieg er die Treppe hinauf, öffnete die knarrende
Tür zum Scriptorium und entzündete eine Kerze. Er lächelte. Kerzenwachs war teuer und wurde nur zu Ehren des Herrn in der Kirche verwendet. Außerhalb des Gotteshauses durfte es nur noch im Scriptorium benutzt werden, denn für die Arbeit der Schreiber, Miniaturenmaler und Kopisten brauchte man gutes Licht, und die billigeren Talglichter waren zu dunkel. Bruder Wipert würde ihn schelten, wenn er herausfand, dass Goswin kostbares Kerzenwachs für sich allein verbraucht hatte. Vorsichtig trug er das flackernde Licht hinüber zu seinem Schreibpult und öffnete das Buch in arabischer Schrift, das er sich für den morgigen Tag schon bereitgelegt hatte. Dann holte er das Perlenband hervor, das er unter seiner Kutte um den Hals getragen hatte, und legte es ebenfalls auf sein Pult. Ein Knarren draußen vor der Tür ließ ihn aufhorchen. In der Stille, die nachts im Kapitelhaus herrschte, erschien das Geräusch besonders laut. Bruder Goswin neigte den Kopf und lauschte. Es war nichts mehr zu hören, und der Scholasticus lächelte über sich selbst. Was hatte er denn befürchtet?
    Wenn das Holz im Herbst knarrt, dann ist der Winter nicht mehr fern, dachte er.
    Bruder Goswin begann zu lesen. Er verglich das Gelesene mit den eingeritzten Linien auf den Elfenbeinperlen und schüttelte immer wieder ratlos den Kopf. Plötzlich stockte er, und ein befriedigtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Vorsichtig nahm er die Kette in die Hand und ließ seine Finger über die einzelnen Perlen gleiten. »Zwei, drei, vier …«, murmelte er. Er war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er weder das neuerliche Knarren der Bohlen noch die Gestalt bemerkte, die sich auf leisen Sohlen an ihn heranschlich. Erst als sie schon hinter ihm stand, spürte er ihre Anwesenheit und schnellte herum. Doch es war zu spät. Bruder Goswin fühlte einen starken, stechenden Schmerz in seinem Kopf und fiel ins Dunkle.

KAPITEL 16
    »… und weiter schreibst du, dass der genannte Niklas seit Jahr und Tag Wohnung hat zu Worms und das Gewerbe des Bäckers erlernt. Dass mithin erwähnter Niklas ein freier Mann ist und ich dem Ansinnen des Herrn von Manstein somit nicht Folge leisten kann, den ehemals zur Hufe bei Manstein gehörenden Niklas an ihn herauszugeben.«
    Der Burggraf hatte die Arme hinter seinem Rücken verschränkt und lief hinter seinem Schreiber auf und ab – eine Angewohnheit, die Prosperius nervös machte. Der junge Bursche runzelte konzentriert die Stirn, während seine Feder über das Pergament kratzte. Als er niedergeschrieben hatte, was Bandolf ihm diktierte, hob er den Kopf und fragte: »Was würdet Ihr tun, wenn der

Weitere Kostenlose Bücher