Die Verschwoerung der Fuersten
bemerkte, wie vereinzelte Regentropfen herniederfielen und die Katze ihn verließ. Erst als sein Schenkel, an den sich Penelopes warmer Körper zuvor gedrängt hatte, kalt und der Regen stärker wurde, kehrte er ins Haus zurück.
»Wo Euryalus, wo Unseliger, ließ ich zurück dich? Wo soll ich suchen, von neuem entwirrend das ganze Geflecht des Weges im tückischen Wald …«, zitierte Bandolf leise seinen Vergil, als er die Treppe zu seiner Schlafkammer hinaufstieg.
Der Burggraf war nicht der Einzige, der in dieser Nacht keinen Schlaf fand. Pater Emeram, der vergebens Trost vor dem Altar in seiner Kapelle gesucht hatte, wanderte ruhelos über seinen Kirchhof. Seit Ludgers Leiche dort gefunden worden
war, mied das Gesindel diesen Ort, und es herrschte friedliche Stille unter den Toten.
Die Sandalen des Priesters verursachten kaum ein Geräusch und trugen ihn wie von selbst zu dem schiefen Holzkreuz, bei dem er Ludger entdeckt hatte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Bis in alle Ewigkeit würde dieser gewaltsame Tod auf seiner Seele lasten. Durch sein leichtfertiges Geschwätz im Rausch und der sündigen Völlerei hatte er sich vor Gottes Augen selbst verdammt. Ein plötzlicher, nicht zu unterdrückender Zorn verzerrte das ebenmäßige Gesicht des Paters, in dem Kummer und Seelenpein ihre Spuren hinterlassen hatten. Jemand würde ihm in die Hölle folgen, weil er Emerams unseligem Gewäsch in jener Nacht gelauscht und sein Wissen dann auf schnöde Weise missbraucht hatte.
Regentropfen, die wie die Tränen des Herrn vom Himmel fielen, trieben den Pater zurück zu seiner Kapelle. Während er schweren Schritts die Stufen bis zur Pforte hochstieg, dachte er an seine letzte Begegnung mit dem Burggrafen in dessen Halle. So kurz hatte er davor gestanden, dem Mann des Königs seine Schuld zu offenbaren. Doch dann hatte seine Angst obsiegt.
Pater Emeram öffnete die Pforte, und als er sie behutsam hinter sich schloss, wusste er, dass er auch heute Nacht den Schlaf vergeblich suchen würde.
Nur ein paar Gassen weiter wälzte sich Fastrada verzweifelt auf ihrer Schlafstatt. Auch sie fand keinen Frieden. Immer wieder stand sie auf, lief im spärlichen Schein einer Talglampe in ihrer Kammer auf und ab und schwankte zwischen Lachen und Weinen. Bei der Truhe neben der Schlafstatt blieb sie stehen. Mit zitternden Fingern strich sie über die Schnitzereien auf dem Deckel. Dann schluchzte sie plötzlich laut auf, packte die Truhe an den Seiten und
schob das schwere Möbelstück beiseite. Schwer atmend kniete die junge Frau nieder und machte sich an einer losen Bohle zu schaffen, die zuvor von der Truhe bedeckt gewesen war. Nachdem sie das Loch darunter endlich freigelegt hatte, starrte Fastrada mit leerem Blick auf die Gegenstände, die sie darin versteckt hatte. Zärtlich berührte sie einen nach dem anderen, und Tränen liefen über ihr Gesicht. Schließlich erhob sie sich, nahm die Wanderung durch die kleine Kammer wieder auf, und während sie sich kichernd und schluchzend in ihren Gedanken verlor, fiel ihr Blick stets zurück auf den Inhalt des Verstecks. Ein Becher mit Würzwein stand neben der Schlafstatt. Fastrada griff abwesend danach und trank einen kleinen Schluck. Die schwere Süße des Weins schien Trost zu spenden. Fastrada nahm noch einen tiefen Schluck, bevor sie den Becher seufzend auf dem Deckel der Truhe abstellte. Unversehens berührten ihre Finger das Messbuch, das ebenfalls auf der Truhe lag. Zart strich sie mit ihrer schmalen Hand über den Einband, dann nahm sie es auf und begann wahllos darin zu blättern. Fastrada konnte nicht lesen, aber sie kannte jedes Gebet, jeden Psalm auswendig und wusste, welches der reich verzierten Bilder und verschnörkelten Anfangsbuchstaben zu welchem Abschnitt gehörte. Bei einer Initiale, die die Anrufung der Muttergottes markierte, stockte ihre Hand. Fastrada schloss die Augen, während ihre Finger über das Bildnis im Anfangsbuchstaben strichen, und flüsterte: »Oh, unschuldiger Christus … Du wirst Deiner Kleider beraubt und mit bitterer Galle getränkt …« Ein gequälter Laut entschlüpfte ihrer trockenen Kehle. »Heilige Maria, dein Herz ist in ein Meer von Bitterkeiten versenkt … Heilige Maria, die du deinen Sohn von Mördern umgeben zum Tode führen sahst …« Fastrada verstummte. Eine Weile blieb sie reglos stehen. Ihre Lider zuckten. »Wie konntest du das nur zulassen?«, rief sie plötzlich zornig. In maßloser Wut zerrte sie
die Seite aus dem
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