Die Verschwörung des Bösen
Abspaltung. Aber nagt nicht das Böse an dir, Chnum-Hotep? Bist es nicht du, der das Gold der Götter geraubt hat? Warst es nicht du, der den Baum des Lebens verflucht hat? Versuchst nicht du, die Wiederauferstehung von Osiris zu verhindern?«
Dann schwieg der Pharao wieder.
Und diesmal konnte Chnum-Hotep nicht stumm bleiben. Jetzt ging es nicht mehr nur um eine sprachliche
Auseinandersetzung, sondern um Anschuldigungen, die so schwer wogen, dass der Provinzfürst diesen Herrscher zum Schweigen bringen musste, der es gewagt hatte, seine Ehre dermaßen in den Schmutz zu ziehen.
Chnum-Hotep brach in donnerndes Gelächter aus, das weit über die Palastmauern hinaus zu hören war. Als er sich endlich wieder beruhigt hatte, stellte er fest, dass ihn der Pharao noch immer unverwandt ansah.
»Ja, ich gestehe, ich war ein Schwätzer! Aus zwei Gründen musste ich jetzt so lachen. Erstens über mich und meine Begriffsstutzigkeit – wie lange habe ich gebraucht, um Eure knapp, aber überzeugend vorgetragenen Hinweise zu verstehen! Außerdem konnte ich über die Ungeheuerlichkeit Eurer Anschuldigungen nur lachen. Die Goldminen in der östlichen Wüste geben schon kaum noch etwas her, und das bisschen Edelmetall, das ich besitze, ist für den Tempel bestimmt. Und was den Lebensbaum angeht, falls es sich dabei nicht um eine Legende handeln sollte, wie ich glaube, kenne ich jedenfalls nicht den Ort, an dem er wächst. Des weiteren verehre ich Osiris als einzigen Bürgen für das Weiterleben meiner Seele nach dem Tod, bin aber nicht in die Geheimnisse seiner Wiederauferstehung eingeweiht und habe keinerlei Macht über ihn oder sein heiliges Reich in Abydos. Ich bin nicht der Verbrecher, den Ihr sucht. Dafür ist diese Begegnung die wichtigste meines ganzen Lebens, weil sie unsere Feindschaft beendet und diesen blutigen und zerstörerischen Krieg überflüssig macht. Ich sehe einen echten Pharao vor mir und höre ihn wie einen echten Pharao sprechen – ab sofort bin ich Euer ergebener Diener. Ich lege den Gazellengau in Eure Hände zurück und möchte Euch zu dem prächtigsten Festmahl einladen, das je in meiner Hauptstadt gefeiert wurde.«
Für Sobek, der noch an Chnum-Hoteps Aufrichtigkeit zweifelte, war dieses Festmahl ein wahrer Albtraum. Wie sollte er in dem riesigen Saal, in dem sich sämtliche Würdenträger der Provinz mit ihren Gattinnen zu Tisch setzten, die Sicherheit des Königs gewährleisten? Spielte ihm sein Gastgeber nicht vielleicht nur eine Komödie vor, um ihn so in eine Falle zu locken?
General Nesmontu war der gleichen Ansicht. Nur äußerst widerwillig legte er sein Zeremoniengewand an, denn er hielt diesen Chnum-Hotep durchaus für in der Lage, die Beseitigung des Königs samt seinem Gefolge bei diesem grandiosen Fest zu planen, auf dem sich die Truppen des Gazellengaus mit den Soldaten des Pharaos verbrüdern sollten. Misstrauisch wie er war, hatte Nesmontu einer Einheit seiner besten Soldaten genaueste Anweisungen erteilt, damit diese eingreifen konnten, falls es zu einem Zwischenfall kommen sollte.
General Sepi und Sehotep, der Träger des Königlichen Siegels, verhielten sich weniger argwöhnisch. Der eine wegen der allgemeinen Erleichterung darüber, dass diese fürchterliche Auseinandersetzung hatte vermieden werden können; der andere, weil er die Verwandlung von Chnum-Hotep miterlebt hatte und wusste, dass so etwas kein Mensch vorspiegeln konnte.
Mit Hunderten von duftenden Blumen geschmückt und erleuchtet von einigen Dutzend Lampen war der Festsaal eine wahre Augenweide.
Als Chnum-Hotep mit gebieterischer Stimme das Wort ergriff, wurde es ganz still: »Der Pharao ist gekommen. Er wird die Zwei Länder, Ober-und Unterägypten, wieder vereinen, er regiert über die rote Erde und wird jetzt auch die schwarze Erde unter seine Herrschaft bringen, er schenkt der Binse und der Biene neues Leben. Alle hier Anwesenden mögen sich vor ihm verneigen und ihn verehren.«
Viele der Männer, allen voran Nesmontu, konnten ihre Rührung nicht verbergen. In diesem Augenblick hatte Ägypten Einheit, Frieden und Zusammenhalt zurückbekommen. Das Schreckgespenst eines Kriegs unter Landsleuten hatte sich in Luft aufgelöst.
Für diese großartige Leistung verdiente es Sesostris, zu den bedeutendsten Pharaonen der ägyptischen Geschichte gezählt zu werden.
Chnum-Hoteps Köche hatten sich für eine Auswahl verschiedener Fische entschieden, die entweder gegrillt mit Spargel oder in einer Sauce aus Kümmel,
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