Die Verschwörung des Bösen
Irgendjemand wird die Leichen entdecken und die Sicherheitskräfte verständigen. Sie sind bestimmt begeistert, wenn sie den Schlupfwinkel der Kanaaniter entdecken, die sie dann wahrscheinlich für die Mörder von Roudi halten. Sichern, die Heimat der Widerständler, wird neuen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt werden. Und der Pharao wird das Land Kanaan, weil er es für den Ursprung allen Übels halten muss, noch strenger überwachen. Wir aber können tun und lassen, was wir wollen.«
9
Vom Gipfel der Anhöhe, in die seine gewaltige, inzwischen fertig gestellte Ruhestätte gegraben war, blickte Chnum-Hotep über den schönen Gazellengau, der in wenigen Stunden oder Tagen Schauplatz eines blutigen Kriegs werden sollte. In diesem Grab, das mit herrlichen bunten Vögeln verziert war, herrschte noch tiefster Friede. Doch was würde von diesem Denkmal bleiben, wenn Sesostris den Sieg davontragen sollte? Vermutlich würde es der Pharao bis auf die Grundfesten schleifen lassen, um jede Spur von seinem letzten Gegner auszulöschen. Und was würde aus seiner Hauptstadt, Menat-Chufu, der »Amme des Cheops« und Geburtstadt des berühmten Bauherrn der großen Pyramide?
Aber Sesostris hatte den Sieg noch nicht davongetragen!
Noch herrschte er nicht über die Anbauflächen dieser Provinz, über ihre schmucken Dörfer mit den kleinen weißen Häusern, ihre Palmenhaine und Bewässerungsbecken. Er kontrollierte nicht die Karawanenstraßen, die sich zur Östlichen Wüste schlängelten, und er befehligte nicht die zahlenmäßig starken und gut ausgebildeten Truppen dieses Gaus. Sie würden sich tapfer schlagen, und kein einziger seiner Soldaten würde die Waffen strecken.
»Fächelt mir Luft zu«, befahl er zwei Dienern, die augenblicklich zwei Fächer in Form von Lotusblättern hin-und herbewegten.
Sie kannten die Wünsche ihres Herrn und fanden schnell zu einem Rhythmus, der ihm behagte.
Wie anmutig diese Landschaft ist, dachte Chnum-Hotep, und wie lieblich. Warum muss dieser Traum, der unter derart großen Mühen Wirklichkeit geworden ist, jetzt ein so jähes Ende nehmen?
Aber wie immer konnte er diese viel zu kurzen Augenblicke des Nachdenkens nicht in die Länge ziehen, weil alle auf seine Anweisungen warteten.
»Wir kehren in den Palast zurück.«
Weil er sehr dick war, besaß Chnum-Hotep einen besonders breiten Tragesessel mit verstellbarer Lehne.
Seine drei Hunde – ein lebhaftes Männchen und zwei rundliche Weibchen – kamen angelaufen und wollten gestreichelt werden. Mit den Gedanken ganz woanders, hatte der Herr nur wenig Zeit für seine Hunde.
Vier kräftige Burschen hoben den erst kürzlich verstärkten Sessel hoch und machten sich zusammen mit den Hunden auf den Rückweg in die Hauptstadt.
Nachdem er sich mit seiner Lieblingssalbe, die auf der Grundlage von gereinigtem, in aromatisiertem Wein gekochtem Fett hergestellt war, hatte massieren lassen, nahm Chnum-Hotep in einem hohen Lehnsessel Platz.
Sofort eilte ein Diener herbei, um ihm die Hände zu waschen, ein zweiter schenkte ihm Weißwein in seinen Lieblingsbecher, der ein goldenes Blatt als Deckel hatte, ein dritter holte aus einem Schrank aus Sykomorenholz zwei kostbare Perücken hervor, von denen eine kurze, zu Zöpfen geflochtene Haare, die andere lange Locken hatte. Chnum-Hotep liebte es, jeden Tag eine andere Frisur zu tragen. Manchmal wollte er Stirn, Nacken und Ohren bedeckt haben; zu anderen Anlässen gefielen ihm dann wieder lange dünne Zöpfe.
»Ich will keine von beiden«, sagte er zu dem
Perückenmacher. »Such mir die älteste und schlichteste heraus, die du finden kannst.«
Wenn er seinem Feind gegenübertrat, wollte Chnum-Hotep seinen Vorfahren gleichen.
Da erschien aber Techat, Schatzmeisterin, Aufseherin über die Vorratskammern der Provinz und Verwalterin des Privatvermögens ihres Herrn.
»Alle Eure Anweisungen wurden aufs Genaueste befolgt. Die Verteidigungsanlage ist einsatzbereit, die Truppen befinden sich auf ihren Posten.«
»Der Gazellengau wird zum Friedhof für die Truppen des Eindringlings. Beim Angriff werden sie sich gegenseitig zu Fall bringen, um uns dann in die Falle zu gehen.«
»Bitte entschuldigt mein ungebührliches Benehmen, Herr, aber ist das nicht ein aussichtsloser Wunschgedanke? Ihr glaubt genauso wenig wie ich, dass Sesostris unvernünftig handelt. Natürlich waren seine Späher bei uns, oder etwa nicht?«
»Wir haben sie abgefangen!«
»Bestimmt nicht alle. Und kennt der König denn nicht unsere
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