Die Verschwoerung von Toledo
etwas um und rollte langsam über den Boden. Es kam näher. Das dabei entstehende Geräusch war von bedrohlicher Intensität, als sei es ausschließlich für Henri de Roslin in die Welt geschickt worden. Es wurde immer lauter. Dann hörte Henri davonhastende Schritte. Henri spurtete hinterher. Er stieß gegen etwas, das ihm wie ein schweres Fass vorkam. Eine Tür schlug zu. Dann noch eine, weiter entfernt. Dann hörte Henri Stimmen.
Als die Dunkelheit wich, sah er sich unter den Umrissen eines Torbogens stehen. Ein paar Fledermäuse schreckten hoch und flatterten dicht an seinem Gesicht vorbei in die Dunkelheit zurück. Die Stimmen näherten sich von der anderen Seite. Von dort, wo ein reich verziertes, figurenloses Mosaik zu sehen war, das eine ganze Wand bedeckte. Jetzt sah Henri, dass die Stimmen zu Hieronymiten gehörten, die einen Mann in ihrer Mitte mit sich schleiften.
»Das ist er! Das ist er!«, schrien sie durcheinander. »Er wollte fliehen! Seht nur, er hat das Kreuz gestohlen. Bruder Enrique ist verletzt.«
Henri begriff enttäuscht, dass es nicht Ferrand war, den sie abführten. Es musste ein ganz gewöhnlicher Kirchendieb sein. Der Gefangene sträubte sich mit Händen und Füßen. Sie drückten ihn an eine frisch gekalkte Wand, schlugen ihm mit den Füßen die Beine weg und zwangen ihn, sich auf den Lehmboden zu setzen.
»Habt Ihr einen großen, blonden Mann gesehen? Er trug ein Kettenhemd und ein rotes Stirnband, in den Händen muss er eine Reitpeitsche und etwas Reiches, Verziertes gehalten haben, vermutlich einen Korporalskasten!«
»Unten am Stall ist jemand auf einem Schimmel davongeritten. Blond, sagtet Ihr, nicht wahr? War es nicht dieser Franzose aus Tours?«
Henri unterdrückte einen Fluch. Er rannte auf die Straße, hinunter zum kommunalen Stall, wo auch sein Pferd stand. Dort angekommen erfuhr er vom Stallburschen, dass Ferrand mit Reisegepäck davongeritten war. Mit Gepäck!, dachte Henri erleichtert. Dann hat er sich also aus dem Staub gemacht! Und Toledo hat von ihm nichts mehr zu befürchten!
Und er beeilte sich, zu Joshua und Theophil zu gehen, um ihnen das zu sagen.
5
Anfang August 1315, im jüdischen Monat Aw
Ferrand de Tours schlug fortwährend mit der Reitpeitsche gegen seine Stulpenstiefel. Es klatschte aufreizend. Er spürte, dass er endlich am Ziel war.
Aber er war ungehalten. Alles ging ihm zu langsam voran.
»Ich sage Euch doch, ich kann ihn Euch ausliefern! Ich weiß, wo er sich aufhält. Sucht Ihr ihn denn nicht mehr? Er ist ein gefährliches und verkommenes Subjekt! Erst hat er den Heiligen Vater ermordet, dann den König. Jetzt ist er zum Judentum übergetreten und hat sich beschneiden lassen. Er bereitet zusammen mit dem anderen Gesindel die Ausrottung der Christen in Toledo vor! Wenn ich ihn einen Ketzer nenne, so ist das noch viel zu wenig! Er ist…!«
»Papst Clemens ist nicht ermordet worden, er starb an seinen inneren Blutungen. Und ob dieser Templer am Tod des Königs wirklich Schuld trägt oder ob es nicht vielmehr die Folgen eines Jagdunfalls waren, an denen Philipp der Schöne verschied, darüber streiten wir uns noch. Die Öffentlichkeit jedenfalls darf von solchen Vermutungen nichts wissen, Frankreich ist auch so schon unruhig genug. Mein Gott, wenn sie wüssten, dass man sich gegen Kirche und König erheben kann!«
»Auf dem Weg durch den Süden unseres Landes dachte ich allerdings, sie wüssten es alle«, erinnerte sich Ferrand mit Schaudern. »Das flache Land scheint in Aufruhr zu sein. Die Bauern lassen die Felder verrotten.«
Der Richter schaute ihn irritiert an. »Nun, Tatsache ist allerdings, dass Henri de Roslin, der Schatzmeister dieses verfluchten Ordens, aus dem Gefängnis von Fontainebleau geflohen ist und dabei einen Wächter ermordete. Wegen dieses Mordes suchen wir ihn im ganzen Land. Mal hört man, er sei in der Bretagne, mal will ihn jemand in Gironde gesehen haben. Er soll in Toledo sein, sagt Ihr?«
Ferrand blickte den Richter ungnädig an. »Dortselbst! Er hetzt die Leute gegen uns auf. Schon fangen die Juden an, sich zu sammeln. Und die Brunnenvergifter mischen ihre Pülverchen und tun sich mit den Aussätzigen zusammen – ich habe Beweise dafür. Hier, lest dieses Pergament!«
Ferrand wartete, bis der Richter zu Ende gelesen hatte. Der wendete das Pergament nach allen Seiten. »Ist das echt?«
»Deshalb bin ich hier. Es stellt die höchste Gefahr dar!«
»Wie kommt Ihr an dieses Pergament?«
»Nun,
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