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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Abendlichts nach wie vor sehen konnte, erkannte sie, dass auch er Angst hatte. Jetzt bestritt er mit ärgerlichen Handbewegungen etwas und schüttelte den Kopf.
    »Nein! Lassen Sie es gut sein! Auf keinen Fall!«
    »Ich werde dahinter kommen!«, gab Remus zurück. »Ich werde es Stück für Stück ans Tageslicht fördern, und die Welt wird es erfahren! Wir sind nicht bereit, uns länger belügen zu lassen – weder von Ihnen, noch von sonst jemandem.«
    Wütend riss der andere den Arm hoch, dann wandte er sich ab und schritt davon, zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle Remus ihm folgen, dann aber überlegte er es sich anders und ging rasch an Gracie vorüber der Straße entgegen. Auf seinen Zügen las sie wütende Entschlossenheit. Fast wäre er mit einem Arm in Arm gehenden Paar zusammengestoßen, das einen Abendspaziergang machte. Er murmelte eine Entschuldigung und eilte weiter.
    Gracie folgte ihm im Laufschritt. Er ging so schnell, dass sie unablässig rennen musste. Er überquerte Hyde Park Terrace und setzte seinen Weg nach Norden über die Grand Junction Road in die Praed Street fort, wo er im Bahnhof der Untergrundbahn verschwand.
    Beklemmt fragte sich Gracie, was sein Ziel sein mochte und wie weit er wohl fahren würde. Was steckte hinter all dem? Wer
war der Mann, mit dem er im Park zusammengetroffen war und dem er Vorwürfe gemacht hatte … und weswegen …
    Sie folgte Remus die Treppe hinab und kaufte wie er einen Vier-Penny-Fahrschein. Sie war schon einmal mit der Untergrundbahn gefahren, hatte gesehen, wie die Züge donnernd und kreischend aus der Röhre geschossen kamen und neben dem Bahnsteig anhielten. Starr vor Schreck war sie gewesen und hatte all ihren Mut zusammennehmen müssen, um in diesen Wagen zu steigen und sich unter ohrenbetäubendem Lärm durch die unterirdischen Röhren entführen zu lassen.
    Auf keinen Fall durfte sie Remus aus den Augen lassen. Wohin auch immer er wollte, sie würde ihm folgen … um festzustellen, wonach er suchte.
    Der Zug kam aus dem schwarzen Loch und hielt an. Gracie stieg hinter Remus ein.
    Schwankend setzte sich der Zug in Bewegung. Gracie ballte die Fäuste und presste die Lippen fest aufeinander, um nicht laut aufzuschreien. Alle um sie herum saßen teilnahmslos da, als sei es das Normalste auf der Welt, im Inneren eines Zuges eingesperrt durch Löcher unter der Erde dahinzujagen.
    Am Bahnhof Edgware Road stiegen Leute aus, andere stiegen ein. Remus hob nicht einmal den Blick, um zu sehen, wo er war.
    An den Stationen Baker Street, Portland Road und Gower Street war es ebenso. Dann kam ein langes Stück bis King’s Cross. Danach schien sich der Zug nach rechts zu neigen und donnerte weiter, wurde immer schneller.
    Wohin Remus wohl wollte? Welche Beziehung bestand zwischen Adinetts Besuch in der Cleveland Street und der jungen Annie Crook, die dort gelebt hatte und gleich ihrem Liebsten mit Gewalt entführt worden war? Man hatte sie ins Guy’s Hospital gebracht, wo sich der Leibchirurg der Königin persönlich um sie gekümmert und erklärt hatte, sie sei verrückt. Was war mit dem jungen Mann geschehen? Wie es aussah, hatte niemand je wieder von ihm gehört.
    Und was hatte es mit den Kutschen in Spitalfields auf sich? War der Kutscher derselbe, der die kleine Alice Crook angefahren
hatte und dann in die Themse gesprungen war – nachdem er Mantel und Stiefel abgelegt hatte?
    Der Zug hielt am Bahnhof Farringdon Street, gleich darauf kam Aldergate Street. Remus sprang auf.
    In ihrer Eile, ihm zu folgen, wäre Gracie fast gestürzt.
    An der Tür überlegte Remus es sich anders und setzte sich wieder.
    Mit hämmerndem Herzen ließ sich Gracie auf irgendeinen Sitz fallen.
    Die nächsten Stationen waren Moorgate und Bishopsgate. In Aldgate verließ Remus den Zug. Hinter ihm erstieg Gracie die steile Treppe und trat in die Dunkelheit hinaus. Sie standen am Übergang von der Aldgate Street zur Whitechapel High Street.
    Wohin würde Remus sich wenden? Jetzt musste sie sich ganz in seiner Nähe halten. Zwar brannten die Straßenlaternen schon, aber ihr dunkelgelbes Licht reichte nicht weit.
    Wollte er etwa wieder nach Whitechapel? Es war ein gutes Stück bis zur Buck’s Row am anderen Ende der Whitechapel Road, noch hinter der High Street. Und bis zur Hanbury Street im Norden war es über einen Kilometer.
    Doch er wandte sich nach rechts in die Aldgate Street, in Richtung Innenstadt. Ob er eine weitere

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