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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihm hingehaltene Hand. »Wie gern würde ich mit Ihnen erneut gegen etwas zu Felde ziehen, aber ich glaube, nicht einmal wir wären noch dazu in der Lage.« Mit einem Blick umfasste er den prächtigen Saal, der sich immer mehr füllte. Man hörte Gelächter, Diamanten blitzten, im Schein der schweren Kristalllüster schimmerten Seidenstoffe, blasse Haut, Spitze und Brokat. Seine Augen wurden hart. »Das alles hier richtet sich selbst zugrunde … es sei denn, die Leute nehmen in den nächsten ein, zwei Jahren Vernunft an.« In seiner Stimme lag Bedauern und Verwirrung. »Warum wollen sie das eigentlich nicht sehen?«
    »Sind Sie wirklich dieser Ansicht?« Einen Augenblick lang nahm sie an, er habe mit seinen Worten eine dramatische Wirkung erzielen wollen und deshalb ein wenig übertrieben. Dann sah sie seine fest aufeinander gepressten Lippen und seinen umschatteten Blick. »Meinen Sie …«
    Er wandte sich ihr zu. »Es sei denn, Bertie beschneidet seine Ausgaben deutlich«, er wies flüchtig mit dem Kopf zum Kronprinzen hin, der drei Schritt entfernt über einen Witz lachte, den jemand gemacht hatte, »und die Königin kehrt ins öffentliche Leben zurück, um sich wieder um ihr Volk zu kümmern.« Wieder erscholl Lachen aus kürzester Entfernung. Carlisle senkte die Stimme. »Viele von uns erleiden Verluste, Vespasia. Die meisten verlieren im Leben etwas, was sie lieben und schätzen. Wir können es uns nicht leisten, einfach aufzugeben und nichts mehr zu tun. Das Land besteht aus einer Hand voll Aristokraten, einigen hunderttausend Ärzten, Anwälten und Geistlichen, ein oder zwei Millionen Ladenbesitzern und Händlern dieser oder jener Art und Bauern. Außerdem gibt es Dutzende von Millionen gewöhnlicher Männer und Frauen, die vom frühen Morgen bis zum späten Abend arbeiten, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt, um diejenigen zu ernähren, für die sie verantwortlich sind, Alte wie Junge. Während Männer sterben und Frauen das Herz bricht, machen wir weiter wie immer.«
    Irgendwo am anderen Ende des Saales setzte Musik ein. Man hörte Gläser klirren.
    »Man kann die Menschen nicht aus beliebiger Entfernung führen«, fuhr er fort. »Sie gehört nicht mehr zu uns. Sie hat es dahin kommen lassen, dass keine Beziehung mehr zwischen ihr und uns besteht. Und Bertie gehört nur allzu sehr zu uns, mit seinen Begierden – nur dass er sie nicht mit seinem eigenen Geld stillt, wie wir das müssen!«
    Es war Vespasia klar, dass er mit allem, was er sagte, Recht hatte, doch hatte sie es bisher von niemandem so unbeschönigt gehört. Somerset Carlisle machte vor nichts Halt. Sie kannte seinen Hang zum Bizarren nur allzu gut. Unwillkürlich fiel ihr ein, was für groteske Versuche er unternommen hatte, um Reformen durchzusetzen. Sie begriff, dass er weder scherzte noch übertrieb, dazu kannte sie ihn zu gut.
    »Wenn nicht bestimmte Leute ihren Willen bekommen«, fügte er kaum hörbar hinzu, wobei in seiner Stimme tiefes Bedauern mitschwang, »wird Viktoria die letzte Herrscherin auf dem englischen Thron sein, glauben Sie mir. Man spürt im Land eine Unruhe, die tiefer geht als alles, was wir in über zweihundert Jahren erlebt haben. Mancherorts herrscht eine geradezu unglaubliche Armut, ganz zu schweigen von der antikatholischen Stimmung und der Angst vor den liberalen Juden, die nach den 48er Revolutionen in Europa nach London geströmt sind. Außerdem ist da nach wie vor die ungelöste irische Frage.«
    »Gewiss«, stimmte sie ihm zu. »Aber mit den meisten dieser Dinge hatten wir schon immer zu tun. Warum bedrückt Sie das gerade jetzt?«
    Somerset schwieg eine Weile. Andere Gäste kamen an ihnen vorüber. Manche sagten einige Worte, die Übrigen nickten grüßend, ohne sich in ihre Unterhaltung einzumischen.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte er schließlich. »Da kommt Verschiedenes zusammen. Nehmen wir einmal den Faktor Zeit. Prinz Albert ist vor über dreißig Jahren gestorben, und seither hat die Königin ihre Rolle als Herrscherin nicht wirklich ausgefüllt. Das ist eine lange Zeit. Unterdessen ist eine ganze Generation herangewachsen, deren Angehörige den
Eindruck gewinnen, dass wir recht gut ohne einen Monarchen auskommen können.« Er hob eine Schulter ein wenig. »Nicht, dass ich dieser Ansicht wäre. Meiner Meinung nach schützt die bloße Existenz eines Herrschers, ob er nun etwas tut oder nicht, vor so manchem Machtmissbrauch. Das ist uns möglicherweise nicht so recht bewusst, weil uns dieser Schild

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