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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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so lange davor bewahrt hat. Natürlich muss es unbedingt eine konstitutionelle Monarchie sein, mit einem Premierminister als Kopf und einem König als Herz. Ich halte es für ausgesprochen klug, nicht beide Funktionen in einer Person zusammenzufassen.« Er lächelte ein wenig kläglich. »Der Vorteil dabei ist, wir können es uns anders überlegen, wenn uns aufgeht, dass sich unser Kopf geirrt hat, ohne dabei gleich Selbstmord zu begehen.«
    »Außerdem hängt es mit unserer nationalen Identität zusammen«, sagte sie ebenso leise wie er. »Seit über tausend Jahren sitzt in unserem Lande ein Monarch auf dem Thron, und die Tradition der Monarchie reicht noch weiter in die Vergangenheit. Ich glaube nicht, dass ich das geändert sehen möchte.«
    »Auch ich nicht.« Er lächelte sie mit einem Mal offen an, wobei sein ganzes Gesicht aufleuchtete. »Dafür bin ich zu alt.« Er war mindestens fünfunddreißig Jahre jünger als sie.
    Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn auf zwanzig Schritt hätte erstarren lassen müssen, doch war ihr klar, dass er das nicht tun würde.
    Ein schlanker Mann trat auf sie zu, kaum größer als Vespasia, dessen fülliges dunkles Haar an den Schläfen von silbernen Strähnen durchzogen wurde. Unter der langen Nase waren zu beiden Seiten seines sinnlichen Mundes tiefe Falten eingegraben. Seine dunklen Augen ließen sein Gesicht klug und leicht gelangweilt erscheinen, so als habe er zu viel vom Leben gesehen und als sei seine Geduld am Ende.
    »’n Abend, Narraway.« Somerset sah ihn interessiert an. »Lady Vespasia, darf ich Ihnen Victor Narraway vorstellen, den Leiter unseres Sicherheitsdienstes? Ich weiß nicht, ob das ein Geheimnis ist oder nicht, aber Sie kennen ja eine Menge Leute, die Sie fragen könnten, wenn Sie das interessierte. Lady Vespasia Cumming-Gould.«
    Narraway verneigte sich ehrerbietig.
    »Ich dachte, Sie wären viel zu sehr damit beschäftigt, Anarchisten aufzuspüren, und hätten gar keine Zeit für Tanz und Geplauder«, sagte Carlisle trocken. »Heißt das, dass England heute Nacht sicher ist?«
    Narraway lächelte. »Nicht alle Gefahren lauern in den finsteren Winkeln der verrufenen Viertel des Londoner Ostens«, gab er zur Antwort. »Um wirklich gefährlich zu sein, müssten diese Ungeheuer sehr viel längere Fangarme haben.«
    Vespasia sah ihn aufmerksam an. Ob er wohl ähnliche Ansichten wie Carlisle hatte? Es gelang ihr nicht, die Belustigung in seinen Augen von der Trauer darin zu trennen. Kurz darauf sagte er etwas über den Außenminister, das Gespräch nahm eine andere Wendung und wurde banal.
    Während liebliche Walzerklänge im Hintergrund ertönten, genoss Vespasia eine Stunde später einen hervorragenden Champagner. Als sie eine Weile allein saß, fiel ihr auf, dass sich nur wenige Schritte von ihr entfernt der Kronprinz mit einem vierschrötigen Mann in mittleren Jahren unterhielt, dessen Haar sich erkennbar zu lichten begann. Das Gespräch schien sich um Zucker zu drehen.
    »Tatsächlich, Sissons? «, fragte der Prinz mit zwar höflichem, aber erkennbar uninteressiertem Gesichtsausdruck.
    »Zum größten Teil durch den Londoner Hafen«, gab der Mann zurück. Er hatte ein angenehmes, ernstes Gesicht. »Natürlich handelt es sich bei der Herstellung von Zucker um einen sehr personalintensiven Industriezweig.«
    »Was Sie nicht sagen. Ich muss zugeben, dass ich davon keine Ahnung hatte. Vermutlich nehmen wir solche Dinge als selbstverständlich hin. Ein Löffel Zucker in den Tee und so weiter.«
    »Oh, Zucker findet sich in vielem«, sagte Sissons. Man merkte, dass ihm die Sache am Herzen lag. »In Kuchen und Gebäck aller Art, Törtchen, und Sie würden sich wundern, wo noch. Bei manchem würde das niemand vermuten. Beispielsweise verbessert eine Prise Zucker den Geschmack von Tomaten mehr, als man glauben sollte.«
    »Wirklich?« Der Prinz hob die Brauen ein wenig, um den
Anschein zu erwecken, als interessierten ihn diese Dinge. »Ich hatte immer gedacht, dafür nimmt man Salz.«
    »Zucker ist besser«, versicherte ihm Sissons. »Der größte Kostenfaktor sind die Arbeitskräfte, verstehen Sie.«
    »Wie bitte?«
    »Arbeitskräfte, Sir«, wiederholte Sissons. »Deswegen eignet sich das Gebiet um Spitalfields so gut. Dort suchen tausende von Männern Arbeit … es ist eine nahezu unerschöpfliche Reserve. Natürlich explosiv.«
    »Explosiv?« Es war deutlich zu sehen, dass der Prinz nach wie vor nicht verstand.
    Vespasia merkte, dass auch andere in Hörweite

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