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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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»Ich verstehe das nicht.«
    »Setzen Sie sich erst mal.« Cornwallis wies auf den Sessel auf der anderen Seite seines Schreibtisches und nahm selbst auch Platz.
    Pitt folgte der Aufforderung.
    »Es geht nicht um uns«, sagte Cornwallis aufrichtig, »sondern um Sie.« Bei diesen Worten wandte er den Blick nicht ab, sondern sah seinen Untergebenen offen an. »Sie sind mit sofortiger Wirkung von der Leitung der Wache in der Bow Street entbunden und dem Sicherheitsdienst zugeteilt.«
    Pitt war wie vor den Kopf geschlagen. Das war doch ganz und gar unmöglich. Wie konnte man ihn aus der Bow Street abberufen? Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Er wollte aufbegehren, fand aber keine Worte.
    Cornwallis’ Lippen bildeten eine schmale Linie, als leide er unter einem körperlichen Schmerz. »Die Anweisung kommt von ganz oben«, sagte er ruhig. »Ich habe versucht, mich dagegenzustellen, habe nach den Gründen gefragt, aber es ist mir unmöglich, etwas dagegen zu unternehmen. Die Männer, um die es geht, kennen sich alle. Ich gehöre nicht zu ihnen, bin ein Außenseiter.« Er suchte Pitts Blick, als wolle er feststellen, ob dieser begriff, worum es ging.
    »Ein Außenseiter … «, wiederholte Pitt mechanisch. Alte Erinnerungen stürmten gleich einer dunklen Welle auf ihn ein. Er hatte es schon früher mit verdeckter Korruption zu tun
gehabt, mit Männern, deren geheime Bindungen stärker waren als alles, was Ehre oder Pflicht gebot, Männer, die einer das Verbrechen des anderen deckten, sich gegenseitig Vorteile zuschanzten und alle anderen bei diesen Machenschaften ausschlossen. Diese Gruppe war als der ›Innere Kreis‹ bekannt. Schon früher hatten seine langen Fangarme nach ihm gegriffen, aber seit einigen Jahren hatte er kaum noch an diese Gruppe gedacht. Jetzt teilte ihm Cornwallis mit, dass er sie sich zum Feind gemacht hatte.
    Eigentlich durfte ihn das nicht überraschen. Er hatte diesen Leuten im Laufe der Zeit einige schwere Schläge versetzt. Wahrscheinlich hatten sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, sich zu rächen, und dazu gab ihnen Pitts Aussage vor Gericht eine hervorragende Möglichkeit.
    »Gute Freunde von Adinett?«, fragte er.
    Cornwallis nickte kaum wahrnehmbar. »Zwar weiß ich das nicht, würde aber jede Wette eingehen, dass Sie Recht haben.« Auch er vermied es, die Gruppe mit Namen zu nennen, aber beide wussten genau, womit sie es zu tun hatten. Cornwallis sog den Atem laut ein. »Sie sollen sich bei Mr. Victor Narraway an der Anschrift melden, die ich Ihnen nenne. Er leitet den Sicherheitsdienst im East End und wird Ihnen genaue Anweisungen geben.« Er verstummte.
    Würde er ihm jetzt sagen, dass auch Narraway zu diesem Inneren Kreis gehörte? Falls ja, war Pitt mehr auf sich allein gestellt, als er angenommen hatte.
    »Ich würde Ihnen gern mehr über den Mann sagen«, fuhr Cornwallis betrübt fort. »Aber für Außenstehende ist der gesamte Sicherheitsdienst so etwas wie ein Buch mit sieben Siegeln.« Abneigung lag auf seinen Zügen. Zwar mochte ihm die Notwendigkeit eines Geheimdienstes einleuchten, aber dessen Existenz war seinem Wesen ebenso zuwider wie den meisten Engländern.
    »Ich war der Ansicht, der Ärger mit den Feniern habe nachgelassen«, sagte Pitt offen heraus. »Was könnte ich in Spitalfields tun, was die eigenen Leute des Sicherheitsdienstes nicht ohnehin viel besser in den Griff bekommen?«
    Cornwallis beugte sich über seinen Schreibtisch hinweg zu
ihm vor. »Das Ganze hat nicht das Geringste mit den Feniern oder den Anarchisten zu tun, und auch Spitalfields spielt dabei keine Rolle.« Er sprach leise und mit Nachdruck. »Die wollen Sie einfach aus der Bow Street raushaben. Die sind fest entschlossen, Sie zugrunde zu richten, sofern sie eine Möglichkeit dazu finden. Zumindest haben Sie da im East End eine Arbeit, für die Sie bezahlt werden. Man wird Ihrer Frau einen bestimmten Betrag zur Verfügung stellen, über den sie verfügen kann. Falls Sie klug und mit dem nötigen Geschick zu Werke gehen, schaffen Sie es vielleicht sogar, in Whitechapel unterzutauchen. Glauben Sie mir, das wäre für die nächste Zeit das Beste, was Sie tun könnten. Es … es wäre mir wirklich lieber, wenn die Dinge anders lägen.«
    Pitt wollte aufstehen und merkte, dass ihn seine Beine nicht trugen. Ihm lag die Frage auf der Zunge, wie lange man ihn wohl ins East End verbannen würde, damit er dort Phantomen nachjagte, ohne jede Würde, ohne jede Befehlsgewalt, ohne die Art von

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