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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Pitt könnte tot sein, rauschte als so gewaltige Welle über sie hin, dass sie einen Augenblick lang ganz benommen war.
    Dann sah sie das Bild an. Martin Fetters hatte kräftige Gesichtszüge, eine breite Nase und große dunkle Augen, in denen Humor zu liegen schien. Sie konnte sich vorstellen, dass er recht aufbrausend war. Zwar hatten er und Adinett viele gemeinsame Interessen, aber soweit sie sehen konnte, unterschieden
sie sich ihrem Wesen nach grundlegend. Das einzige gemeinsame Merkmal war die kühle Art, wie sie in die Kamera blickten, die in ihrem Ausdruck erkennbare Hingabe an ein bestimmtes Ziel. Sie konnte sich durchaus vorstellen, dass auch Martin Fetters Menschen Unbehagen bereitet hatte, aber eher durch seine Aufrichtigkeit. Vermutlich hatte er die Fähigkeit besessen, tiefe Freundschaften einzugehen.
    Sie reichte das Foto mit einem Lächeln zurück. Sie wusste nicht, was sie hätte sagen können, um den Schmerz über den Verlust dieses einzigartigen Mannes zu mindern.
    Mrs. Fetters stellte das Foto an seinen alten Platz zurück. »Wollen Sie die Bibliothek sehen?« In dieser Frage schimmerten viele Facetten. Dort hatte er gearbeitet, dort waren seine Bücher, der Schlüssel zu seinem Denken. Er war aber dort auch ermordet worden.
    »Gern.« Charlotte stand auf und folgte Juno Fetters ins Vestibül und die Treppe hinauf. Als sie sich dem Raum näherten, erstarrte Juno sichtlich, dann aber ergriff sie die Klinke und stieß die Tür auf.
    Schon beim Eintreten merkte man, dass es sich um ein Zimmer handelte, in dem sich ein Mann aufzuhalten pflegte. Überall sah man Leder, kräftige Farben herrschten vor, drei der Wände waren mit Bücherregalen bedeckt. Das Messinggitter vor dem offenen Kamin trug ein grünes Lederpolster. Auf dem Tisch am Fenster stand ein als ›Tantalus‹ bezeichneter verschließbarer Flaschenständer, davor drei saubere Gläser.
    Charlottes Blick wanderte erst zu dem schweren Ledersessel, der links in der gegenüberliegenden Ecke stand, dann zu der polierten Holzleiter, die dicht an das Regal geschoben war. Sie bestand lediglich aus drei Stufen mit einer langen Stange in der Mitte, an der man sich festhalten konnte. Selbst ein hoch gewachsener Mann konnte ohne dieses Hilfsmittel die obersten Bücherborde nicht erreichen. Wenn Martin Fetters nur wenig größer gewesen war als seine Frau, hatte er auf die oberste Stufe der Leiter steigen müssen, um die Titel auf den Buchrücken ganz oben lesen zu können. Schon deshalb war es äußerst unwahrscheinlich, dass er dort die Bücher aufbewahrte, die er am häufigsten benutzte.
    Charlotte wandte sich dem schweren Sessel zu, der jetzt knapp zwei Meter von der Ecke entfernt im Zimmer stand. Bei der Lage des Fensters und der Anordnung der Gaslampen an der Wand war das die natürlichste Stellung für jemanden, der in diesem Sessel lesen wollte.
    Juno Fetters folgte ihrem Gedankengang. »Hier hat er gestanden«, sagte sie und schob den Sessel mit ihrem ganzen Gewicht weiter, bis er sich nicht einmal mehr einen Meter von den Regalen und der Wand entfernt befand. »Martin lag mit dem Kopf dahinter. Die Leiter stand dort.« Sie wies auf die andere Seite.
    Charlotte ging zu der Stelle, wo Fetters’ Kopf wohl gelegen hatte, und quetschte sich auf Händen und Knien hinter den Sessel. Sie versuchte zur Tür hinüberzublicken und merkte, dass sie von dort aus nichts von dem sehen konnte, was sich an der gegenüberliegenden Wand befand. Dann stand sie wieder auf.
    Juno Fetters sah aufmerksam zu ihr hin. Keine der beiden Frauen brauchte ihrer Überzeugung Worte zu verleihen, dass alles genau so abgelaufen war, wie Pitt es dargelegt und die Geschworenen es akzeptiert hatten. Etwas anderes wäre gar nicht möglich gewesen.
    Charlotte musterte gründlich die Bücher und las die Titel. Die Themen aller auf den am leichtesten erreichbaren Regalbrettern hatten, wie sie nach wenigen Minuten merkte, etwas Gemeinsames.
    Am weitesten entfernt von dem abgenutztesten Sessel standen Bücher über Technik, Stahlerzeugung und Seeverkehr; es folgten Sprachen, Bräuche und Topographie des Mittleren Ostens im Allgemeinen und der Türkei im Besonderen. Dann kamen Bücher über einige der großen Städte der Antike: Ephesus, Pergamon, Izmir, außerdem Byzanz unter den verschiedenen Namen, mit der man jene Stadt seit der Zeit Kaiser Konstantins bis in die Gegenwart bezeichnet hatte.
    Es gab noch weitere Bücher über Geschichte und Kultur des Islam in der Türkei. Sie

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