Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
wusste. »Man hat ihn aus der Bow Street abkommandiert und in geheimer Mission woanders hingeschickt. Es ist eine Art Strafe, weil er gegen Adinett ausgesagt hat.«
    Auf Juno Fetters’ Züge legte sich der Ausdruck von Erstaunen und dann Zorn.
    »Das ist ungeheuerlich!« Sie benutzte dasselbe Wort wie Charlotte, um die Situation zu kommentieren. »Mit wem kann man reden, um das rückgängig zu machen?«
    »Mit niemandem.« Charlotte schüttelte den Kopf. »Thomas hat sich mit diesem Fall Feinde geschaffen, Männer, die viel Macht besitzen. Wahrscheinlich ist es sogar besser, wenn er eine Weile aus ihrem Gesichtsfeld verschwindet. Ich bin gekommen, weil er Sie sehr schätzt und er annimmt, dass Ihr Mann auch Ihrer Ansicht nach einem Mord zum Opfer gefallen ist und nicht etwa einem Unfall.« Sie versuchte, in den Zügen der anderen
zu lesen, und erkannte unverhüllten Kummer darin. Sie hatte das bedrückende Gefühl, in ihre Privatsphäre eingedrungen zu sein.
    »Davon bin ich in der Tat fest überzeugt«, sagte Mrs. Fetters ruhig. »Anfangs war das anders, da war ich einfach benommen. Ich konnte überhaupt nicht erfassen, was da geschehen war. Martin ist nicht … war nicht ungeschickt. Hinzu kommt, dass er nie im Leben seine Bücher über Troja und Griechenland auf das oberste Brett gestellt hätte. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Auch die anderen Punkte, auf die Ihr Mann hingewiesen hat, leuchten mir ein: der Sessel, der nicht an seinem Platz stand, und die Teppichfäden an seinem Schuh.« Sie zwinkerte mehrere Male und bemühte sich, ihre Gefühle zu beherrschen.
    Charlotte sprach, um der Witwe Gelegenheit zu geben, sich zu fassen und sie vielleicht sogar ein wenig von ihren schmerzlichen Gedanken abzulenken. Gewiss trat ihr beim Gedanken an die Schuhe das Bild vor Augen, wie man ihren toten Mann auf dem Rücken über den Boden geschleift hatte – eine unerträgliche Vorstellung.
    »Mir ist klar, dass Sie sicherlich bei der Verhandlung oder vorher etwas gesagt hätten, wenn Ihnen bekannt gewesen wäre, warum Adinett das getan hat.« Sie beugte sich ein wenig vor. »Hatten Sie inzwischen Zeit, noch einmal darüber nachzudenken?«
    »Ich habe sonst kaum etwas zu tun«, sagte Mrs. Fetters, um ein Lächeln bemüht. »Aber mir fällt nichts ein.«
    »Ich muss es wissen.« Charlotte hörte die Dringlichkeit in ihrer eigenen Stimme. Eigentlich hatte sie sich nicht so vollständig preisgeben wollen, doch beim Anblick des Kummers der anderen war auch der ihre durchgebrochen. »Es ist für mich die einzige Möglichkeit, den Leuten zu beweisen, dass das Urteil gerecht ist und mein Mann weder überheblich noch verantwortungslos war, sondern völlig frei von Vorurteilen an die Sache herangegangen ist. Er hat die Indizien des Falles vorgetragen und hatte Recht damit. Keiner von denen, auf die es ankommt, darf auch nur den geringsten Zweifel daran haben.«
    »Wie wollen Sie das erreichen?«
    »Ich werde mich bemühen, möglichst viel über John Adinett
und, sofern Sie mir dabei behilflich sind, über Ihren Mann in Erfahrung zu bringen, damit ich beweisen kann, warum es zu der Tat gekommen ist.«
    Juno Fetters holte tief Luft und sah Charlotte viel sagend an. »Auch ich würde das gern wissen. Martin wird mir immer fehlen, und nichts kann mich über seinen Tod hinwegtrösten, aber wenn ich die Zusammenhänge verstehen könnte, würde mir das doch ein wenig helfen.« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Ich wäre nicht so verwirrt, wenn ich sehen könnte, welchen Anlass es für die Tat gab. Das Ganze wirkt so … unvollständig. Klingt Ihnen das absurd? Meine Schwester hat mir geraten, ich solle eine Weile verreisen, damit ich versuchen kann zu vergessen … ich meine, auf welche Art und Weise es geschehen ist. Aber das möchte ich nicht! Ich möchte den Grund erfahren!«
    Draußen im Garten sangen die Vögel, und der leichte Windhauch trug den Duft von Gras herein.
    »Kannten Sie Mr. Adinett gut? War er oft hier?«
    »Mindestens ein- oder zweimal im Monat, manchmal sogar öfter.«
    »Konnten Sie ihn gut leiden?«, erkundigte sich Charlotte, weil sie begreifen musste, welche Gefühle bei der Sache eine Rolle gespielt hatten. Fühlte sich die Frau von einem Freund verraten oder durch einen Mann beraubt, der ihr ziemlich fremd war? Würde sie ärgerlich reagieren, wenn Charlotte in das Leben dieser Menschen einzudringen versuchte?
    Die Frage schien Juno Fetters gewisse Schwierigkeiten zu bereiten. Sie überlegte eine Weile, bevor

Weitere Kostenlose Bücher