Die Verschwoerung von Whitechapel
Wechsel eintrat, aber Veränderungen, die auf Hass gründeten, erregten Furcht, denn häufig kam es dazu, ohne dass man richtig begriff, aus welchem Grunde, und ohne dass man darüber nachgedacht hatte. Es gab so vieles, was sich nicht vorhersehen ließ.
»Jedenfalls sagt Jack das.« Emily sah aufmerksam zu ihr her. Ihren Tee schien sie vergessen zu haben. »Am meisten macht ihm Sorge, dass es starke royalistische Interessengruppen gibt, die alles tun werden, um zu erreichen, dass alles bleibt, wie es ist – ›Und damit meine ich wirklich alles‹, hat er gesagt!« Sie biss sich auf die Lippe. »Als ich ihn gefragt habe, wie man das verstehen müsse, wollte er zuerst nicht mit der Sprache herausrücken. Er hat sich, wie soll ich sagen, in sich selbst zurückgezogen, wie immer, wenn er sich nicht wohl in seiner Haut fühlt. Es klingt sonderbar, doch es schien mir, als hätte er Angst.« Sie hörte unvermittelt auf, sah wieder auf ihre Hände hinab, als hätte sie etwas gesagt, wofür sie sich schämte. Vielleicht hatte sie nicht so viel von Dingen preisgeben wollen, die der Privatsphäre angehörten.
Ein kalter Schauer überlief Charlotte. Es gab ohnehin schon zu vieles, wovor man sich fürchten musste. Sie wollte mehr erfahren, aber es war sinnlos, weiter in Emily zu dringen. Bestimmt hätte sie ihr mehr gesagt, wenn sie eine Möglichkeit dazu gesehen hätte. Dieser Gedanke verstärkte Charlottes Gefühl der Einsamkeit.
»Wie wichtig einem trotz aller Schwierigkeiten das ist, was man hat, merkt man erst so richtig, wenn andere es zu zerstören versuchen und ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen wollen«, sagte sie betrübt. »Ich habe nichts gegen Veränderungen, aber bitte nicht zu viele auf einmal. Was meinst du – sind kleine
Veränderungen möglich, oder ist das eine Frage von alles oder nichts? Muss man alles in Stücke schlagen, um einen Wandel zu bewirken?«
»Das kommt auf die Menschen an«, gab Emily mit betrübtem Lächeln zurück. »Wenn man sich anpasst, ist es vielleicht nicht nötig, doch wenn man wie Marie Antoinette stolz den Kopf reckt, heißt die Entscheidung unter Umständen tatsächlich: Krone oder Guillotine.«
»War sie wirklich so dumm?«
»Das weiß ich nicht. Es ist nur ein Beispiel. Niemand wird unserer Königin den Kopf abschlagen, jedenfalls nehme ich das nicht an.«
»Vermutlich haben die Franzosen das auch nicht angenommen«, sagte Charlotte trocken.
»Wir sind hier nicht in Frankreich.« Emilys Stimme klang entschieden, sogar ein wenig ärgerlich.
»Sag das unserem König Karl I.«, gab Charlotte zurück und dachte an das traurige und zugleich herrliche Porträt, das Van Dyck von diesem Unglückseligen gemalt hatte, der noch auf dem Schafott nicht von seinen Überzeugungen lassen wollte.
»Das war damals keine Revolution«, wandte Emily ein.
»Aber ein Bürgerkrieg. Ist das etwa besser?«, hielt Charlotte dagegen.
»Das sind doch alles nur Worte! Politiker haben Angstträume, und wenn es nicht um das Thema ginge, wäre es ein anderes – Irland, die Steuern, der Achtstundentag oder die Stadtentwässerung.« Sie zuckte elegant die Schultern. »Wozu würden wir diese Männer brauchen, wenn es keine Probleme zu lösen gäbe.«
»Wahrscheinlich brauchen wir sie gar nicht … jedenfalls meistens.«
»Genau davor haben sie Angst.« Emily erhob sich. »Möchtest du mit uns in die Nationalgalerie kommen und dir die Ausstellung ansehen?«
»Nein danke. Ich werde noch einmal Juno Fetters aufsuchen. Vielleicht hast du Recht – wahrscheinlich ist es eine Frage der Politik.«
Charlotte traf kurz nach elf in der Coram Street ein. Zwar war das eine äußerst unpassende Stunde, aber hier ging es nicht um einen Höflichkeitsbesuch, und außerdem durfte sie sicher sein, dass sie auf niemanden anders treffen würde und ihre Gegenwart erklären musste. Das sah sie als entscheidenden Vorteil an.
Juno Fetters war entzückt, sie zu sehen, und gab sich keine Mühe, das zu verbergen. Man sah ihr an, wie froh sie war, Gesellschaft zu haben.
»Kommen Sie herein!«, sagte sie erfreut. »Bringen Sie irgendwelche Neuigkeiten?«
»Leider nicht.« Charlotte hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nichts erreicht hatte. Immerhin wog der Verlust dieser Frau deutlich schwerer als ihr eigener. »Ich habe viel hin und her überlegt, aber außer weiteren Gedanken, in welcher Richtung man suchen könnte, ist dabei nichts herausgekommen.«
»Kann ich etwas tun?«
»Vielleicht.« Charlotte nahm in dem
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