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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hoffe, auch Mrs. Fetters hält sich an das, was ich gesagt habe, und schweigt jedem gegenüber.«
    Charlotte fühlte sich benommen. Die Sache, der sie anfangs lediglich aus persönlicher Empörung über die Pitt angetane Ungerechtigkeit nachgegangen war, hatte sich mit einem Mal zu einer Verschwörung entwickelt, die ohne weiteres alles bedrohen konnte, was sie kannte.
    »Was sollen wir tun? «, fragte sie besorgt und sah Vespasia an.
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand diese. »Jedenfalls noch nicht.«
    Nachdem Charlotte verwirrt und zutiefst unglücklich gegangen war, blieb Vespasia lange in ihrem Frühstückszimmer sitzen und sah durch das Fenster hinaus auf den Rasen. Sie hatte Königin Viktorias gesamte Regierungszeit miterlebt. Vierzig Jahre zuvor schien kein Land auf der Welt stabiler zu sein als England. Allein dort waren alle Werte unerschütterlich und behielt das Geld seinen Wert. Sonntag für Sonntag läuteten die Kirchenglocken, predigten die Geistlichen über Gut und Böse, und nur wenige zweifelten an deren Worten. Jeder wusste, wohin er gehörte, und nahm das als gegeben hin. Die Zukunft dehnte sich endlos vor den Menschen.
    Diese Welt war dahingegangen wie die Pracht von Sommerblumen.
    Sie wunderte sich, wie sehr es sie entrüstete, dass man Pitt seine Stellung und sein Familienleben genommen und ihn nach Spitalfields geschickt hatte, wo er höchstwahrscheinlich von nicht besonders großem Nutzen war. Sofern Cornwallis der Mann war, für den sie ihn hielt, war Pitt dort zumindest vor der Rache des Inneren Kreises so sicher, wie das überhaupt möglich war. Das zumindest war beruhigend.
    Aber was konnte sie tun? Zwar bekam sie nicht mehr so unendlich viele Einladungen wie früher, doch waren es immer noch genug, dass sie daraus auswählen konnte. Heute hatte sie die Möglichkeit, zu einem Gartenfest in Astbury House zu gehen, sofern ihr der Sinn danach stand. Eigentlich hatte sie absagen wollen und das am Vortag auch Lady Weston schon angekündigt. Aber sie wusste, dass sich unter den Gästen Randolph Churchill und Ardal Juster befanden. Sie würde die Einladung wohl doch annehmen. Vielleicht war ja auch Somerset Carlisle da. Er war der Einzige, dem sie trauen konnte.
     
    Der Nachmittag war angenehm warm, und die Gärten standen in voller Blüte. Es konnte keinen schöneren Tag für eine Gesellschaft im Freien geben. Als Vespasia ziemlich spät eintraf, wie das ihrer Gewohnheit entsprach, belebten den Rasen bereits herrliche Kleider aus Seide und Musselin sowie mit Blumen, Gaze und Tüll verzierte Hüte, groß wie Wagenräder. Wie alle anderen musste auch sie Acht geben, um nicht von einem der
vielen nachlässig geschwungenen Sonnenschirme aufgespießt zu werden.
    Sie trug ein mit Grau abgesetztes lavendelfarbenes Kleid und einen Hut, dessen Krempe sich auf einer Seite, einem Vogel gleich, zum Himmel emporschwang und auf der anderen kokett nach unten neigte. Eine solche Kreation vorzuführen durfte nur eine Frau wagen, die sich nicht das Geringste aus der Meinung anderer machte.
    »Großartig, meine Liebe!«, sagte Lady Weston kalt. »Dieser Hut ist bestimmt einmalig.« Damit meinte sie, dass er aus der Mode war und sich außer ihr bestimmt keine andere Frau damit zeigen würde.
    »Danke«, gab Vespasia mit einem hinreißenden Lächeln zurück. »Wie großzügig von Ihnen.« Abfällig ließ sie den Blick an Lady Westons einfallslosem blauen Kleid auf und ab wandern. »Eine herrliche Gabe.«
    »Wie bitte?«, erkundigte sich Lady Weston verwirrt.
    »Die Bescheidenheit, die darin liegt, andere zu bewundern«, erklärte Vespasia, raffte mit erneutem Lächeln die Röcke und verließ Lady Weston, die erst jetzt merkte, dass sie unterlegen war, und sich darüber grün und blau ärgerte.
    Sie sah den Zeitungsverleger Thorold Dismore mit dem Zuckerfabrikanten Sissons. Die Unterhaltung schien Dismore außerordentlich zu interessieren. Sissons war kaum wiederzuerkennen. Während er im Gespräch mit dem Kronprinzen tölpelhaft, geistlos und von tödlicher Langeweile gewesen war, sah er jetzt geradezu von Begeisterung beflügelt aus.
    Einen Augenblick lang sah Vespasia interessiert hin und fragte sich, welches Thema die beiden wohl so sehr fesseln mochte. Zwar war Dismore, dem Wohlstand und gesellschaftliche Position in die Wiege gelegt worden waren, ein Exzentriker, doch setzte er sich für bestimmte Ziele leidenschaftlich ein, wenn dazu auch nicht gerade politische Reformen gehörten. Er war ein glänzender

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