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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sich steif über die Theke, die Stimme erhoben. »Ich … ich muss es wissen.«
    »Ja, ist er, der Arme«, antwortete der Mann in achtungsvollem Ton. »Das passiert in jedem Jahr Dutzenden. Sie hätten das ohne die geringste Mühe auch in einem öffentlichen Archiv erfahren können.«
    »Das ist mir bekannt.« Remus ließ sich nicht abweisen. »An welchem Tag?«
    Der Mann rührte sich nicht.
    Remus legte eine halbe Krone auf die Theke. »Sehen Sie nach, und sagen Sie mir, welcher Religion er angehörte.«
    »Welcher Religion?«
    »Ja, ist das so schwer zu verstehen? Und was für Angehörige er hatte: wer ihn besucht hat und wer noch lebt.«
    Der Mann sah auf die halbe Krone. Diese zweieinhalb Shilling
waren eine Menge Geld und leicht verdient. Er wandte sich zu den Regalen um, nahm ein blau eingebundenes Hauptbuch heraus und schlug es auf. Remus ließ ihn nicht aus den Augen. Er hatte nach wie vor nichts von Tellmans Anwesenheit bemerkt und auch nicht, dass ein schmaler Mann mit blondem Haar kurz nach ihnen eingetreten war.
    Tellman überlegte fieberhaft. Wer mochte dieser William Crook sein, und was hatte dessen Tod in einem Krankenhaus zu bedeuten? Oder seine Religionszugehörigkeit? Wenn er im vorigen Jahr gestorben war, was konnte er da mit Adinett oder Martin Fetters zu tun haben? Hatte ihn Adinett möglicherweise ermordet, und Fetters hatte davon gewusst? Dann wäre das Motiv klar.
    Der Angestellte hob den Blick. »Er ist am vierten Dezember verschieden. Seine Witwe Sarah, die hier ihre Angaben gemacht hat, sagt, dass er römisch-katholisch war.«
    Remus beugte sich noch weiter vor. Er sprach beherrscht, doch klang seine Stimme ein wenig schärfer als zuvor. »Römisch-katholisch. Sind Sie sicher? Steht das da?«
    Aufgebracht sagte der Mann: »Hab ich Ihnen doch gerade gesagt.«
    »Und wo hat er gewohnt, bevor er hierher kam?«
    Der Angestellte sah auf das Blatt und zögerte.
    Remus verstand und legte mit hartem Geräusch einen weiteren Shilling auf die Theke.
    »In der St. Pancras Street Nummer 9«, sagte der Mann.
    »In der St. Pancras Street!« Remus war offenkundig verblüfft und fragte ungläubig: »Sind Sie sicher? Nicht in der Cleveland Street?«
    »In der St. Pancras Street«, wiederholte der Angestellte.
    »Wie lange war er da?«, fragte Remus.
    »Woher soll ich das wissen?«, fragte der Mann zurück.
    »Und Nummer 9, sagten Sie?«
    »Ja.«
    »Danke.« Remus wandte sich um und ging hinaus, den Kopf nachdenklich gesenkt. Er merkte nicht einmal, dass Tellman hinter ihm den Raum verließ, ohne seinerseits an die Theke getreten zu sein.
    Tellman folgte ihm in geringer Entfernung auf die Straße. Remus war erkennbar nach wie vor unaufmerksam, diesmal vermutlich aus Enttäuschung und Verwirrung. Ohne zu zögern, schritt er mit großen Schritten die St. Pancras Street entlang. Am Haus Nummer 9 klopfte er und trat einen Schritt zurück, um zu warten.
    Tellman blieb auf der anderen Straßenseite stehen. Wäre er hinübergegangen und so nahe herangetreten, dass er hören konnte, was gesagt wurde, wäre seine Gegenwart Remus wohl trotz dessen Unaufmerksamkeit aufgefallen.
    Eine ungewöhnlich hoch gewachsene Frau – Tellman schätzte sie auf über einen Meter achtzig – öffnete die Tür. Sie sah zum Fürchten aus.
    Angesichts Remus’ äußerst zuvorkommenden und achtungsvollen Verhaltens wurde sie, wie es aussah, zugänglicher. Sie sprachen einige Minuten miteinander, dann machte Remus eine angedeutete Verbeugung, lüftete den Hut, wandte sich um und ging rasch fort. Dabei schien er so aufgeregt zu sein, dass er einige Male ins Stolpern geriet. Tellman hatte die größte Mühe, ihm schnell genug zu folgen.
    Er sah, dass Remus zum Bahnhof St. Pancras ging und diesen durch den Haupteingang betrat.
    Tellman tastete in seinen Taschen nach den Münzen und spürte drei halbe Kronen, zwei Shilling und einige Pennys. Wahrscheinlich würde Remus nur eine oder zwei Stationen weit fahren, sodass es wohl ziemlich leicht war, ihm zu folgen – aber lohnte sich das Risiko? Vermutlich handelte es sich bei der hoch gewachsenen Frau in der Tür des Hauses Nummer 9 um William Crooks Witwe Sarah. Was mochte sie Remus gesagt haben, dass er mit einem Mal so munter wirkte? Vielleicht, dass es sich um eben den William Crook handelte, der früher einmal in der Cleveland Street gewohnt hatte? Oder dass irgendeine andere enge Beziehung zwischen ihm und jener Straße bestand? Das Gespräch an der Haustür hatte eine ganze Weile

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