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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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möglich.« Er nickte mit traurigen Augen und abwesendem Blick. »Jedenfalls ’ne Affenschande. Und was für ’ne Pfeife woll’n Se jetzt für Ihren Papa?«
    Sie konnte sich keine Pfeife leisten. Sie musste Tellman möglichst viel von seinem Geld zurückgeben, und er hatte bestimmt keine Verwendung für eine Tonpfeife. Außerdem wollte sie auf keinen Fall, dass er rauchte.
    »Am besten frag ich ihn noch mal«, sagte sie bedauernd. »So was kann man ja nich gut zurückbringen, wenn es nich das Richtige is. Danke für die Beratung.«
    Bevor er den Mund auftun konnte, um sie zu überreden, hatte sie sich umgewandt und den Laden verlassen.
    Sie kehrte zur Mile End Road zurück, einfach weil sie den Weg kannte, dort Leute unterwegs waren und sie nicht wusste, was in der anderen Richtung lag.
    Wohin sollte sie jetzt gehen? Remus konnte sonstwo sein. Wie viel von dem, was sie da erfahren hatte, er wohl wusste? Wahrscheinlich alles. Es schien allgemein bekannt zu sein und war auch nicht schwer herauszubekommen. Aber vermutlich wusste Remus außerdem, was dahintersteckte! Er war voll Hochgefühl gewesen und hatte sich nach William
Crooks Tod erkundigt. Aber auch daran war nichts weiter sonderbar.
    Von der Cleveland Street aus hatte er zuerst das Guy’s Hospital aufgesucht, um sich dort zu erkundigen. Wonach? Etwa nach William Crook? Das festzustellen gab es nur eine Möglichkeit: Sie musste selbst hingehen. Sie würde sich eine gute Geschichte zurechtlegen müssen, um ihr Interesse an dieser Frage zu erklären.
    Sie brauchte die ganze Rückfahrt nach Westen und dann südwärts über die London Bridge in Richtung Bermondsey. Erst kurz bevor sie das Krankenhaus erreichte, hatte sie ihre Geschichte fertig. Wenn man schon log, war es besser, dafür zu sorgen, dass alles zusammenpasste.
    Sie kaufte bei einem Straßenhändler eine Pastete und eine Limonade und sah auf die Themse, während sie aß und trank. Es war ein heller, windiger Tag, den viele Leute zu genießen schienen. Man sah Ausflugsdampfer auf dem Wasser, Fahnen wehten, Menschen hielten ihre Hüte fest. Irgendwo in der Nähe ertönte die muntere Weise eines nicht besonders gleichmäßig gedrehten Leierkastens. Ein halbes Dutzend Jungen spielte laut rufend und kreischend Fangen. Ein Paar ging Arm in Arm vorüber, so dicht nebeneinander, dass die Röcke der jungen Frau die Hosenbeine ihres Begleiters streiften.
    Als Gracie ihre Pastete aufgegessen hatte, straffte sie sich und machte sich in Richtung Borough High Street auf den Weg zum Krankenhaus.
    Dort ging sie sofort zur Verwaltung, legte ihr Gesicht in Falten und gab sich die größte Mühe, kläglich dreinzublicken. Das hatte sie schon vor vielen Jahren geprobt, bevor sie die Stellung in Pitts Haus angetreten hatte. Damals war sie klein und schmächtig gewesen, meist auch schmutzig, und es hatte bestens gewirkt. Jetzt war das nicht mehr so einfach, denn inzwischen war sie jemand. Sie stand im Dienst des besten Kriminalbeamten von ganz London – und das bedeutete, auf der ganzen Welt –, auch wenn er zurzeit in Ungnade gefallen war.
    »Was kann ich für dich tun?«, fragte der alte Mann hinter der Theke und sah ihr über den Brillenrand ins schmale Gesicht. Er schien sie für ein kleines Mädchen zu halten.
    »Bitte, Sir, ich möcht wissen, was mit mei’m Opa passiert is.« Sie vermutete, dass William Crook im entsprechenden Alter gewesen war.
    »Wurde der hier als Patient eingeliefert?«, fragte der Mann freundlich.
    »Ich glaub ja.« Sie schniefte. »Ich hab gehört, dass er tot is, bin aber nich sicher.«
    »Wie hieß er denn?«
    »William Crook. Das muss schon ’ne Weile her sein, ich hab’s aber grade erst erfahren.« Wieder schniefte sie.
    »William Crook«, wiederholte er ratlos und schob die Brille hoch, damit er durch die Gläser sehen konnte. »So ohne weiteres kann ich mich nicht an ihn erinnern. Bist du sicher, dass man ihn hergebracht hat?«
    Sie bemühte sich, verloren und verlassen dreinzublicken. »So hat man mir das gesagt. War hier denn kein Crook? Nie?«
    »Das weiß ich natürlich nicht.« Er verzog angestrengt das Gesicht. »Wir hatten hier ewig lange ’ne Annie Crook. Sir William, das is der Leibarzt der Königin, hat se selbst hergebracht. Die arme Kleine war völlig verrückt. Er hat für sie getan, was er konnte, aber es hat nix genützt.«
    »Annie war hier?« Gracie schluckte, bemüht, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen.
    »Kennst du die denn?«
    »Klar.« Sie rechnete

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