Die Verschwörung
es. Weil es bei dem Mordanschlag jedoch auch um ein zweites Menschenleben ging, waren die Diskussionen erbittert geworden, und die Versammelten erinnerten an Abgeordnete, die sich auf dem Capitol Hill Gefechte um Regierungszuschüsse in Milliardenhöhe lieferten.
»Sie wollen damit also sagen«, meinte einer der Weißhaarigen und stieß einen schlanken Finger in die rauchgeschwängerte Luft, »daß wir zusammen mit der Lockhart auch einen FBI-Agenten töten müssen.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum einen der unseren? Das kann nur zu einer Katastrophe führen.«
Der Mann am Kopfende des Tisches nickte gedankenvoll. Robert Thornhill war der höchstdekorierte Kalte Krieger der CIA; sein Status beim Geheimdienst war einmalig, sein Ruf makellos, und die Liste seiner beruflichen Siege unerreicht. Als stellvertretender Leiter der Operationsabteilung genoß Thornhill die größten Freiheiten und war verantwortlich für den Einsatz der Außenagenten und die geheime Anwerbung ausländischer Spitzel. Die Einsatzleitung der CIA kannte man außerdem inoffiziell als »Spionageladen«. Ihr stellvertretender Leiter war der Öffentlichkeit völlig unbekannt - für Thornhill die perfekte Ausgangslage, bedeutungsvolle Arbeit zu leisten.
Er hatte die Angehörigen der auserlesenen Gruppe, die ebenso wie er über den Zustand der CIA bestürzt waren, selbst zusammengestellt. Er war es auch gewesen, der gewußt hatte, daß der Bunker, diese weitläufige unterirdische Zeitkapsel aus den frühen Sechzigern, immer noch existierte. Und er hatte das Geld aufgetrieben, um den Bunker heimlich wieder auf Vordermann und seine technische Einrichtung auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Es gab im ganzen Land Tausende dieser kleinen, von Steuerzahlern finanzierten Spielzeuge, doch viele waren völlig verfallen. Thornhill unterdrückte ein Lächeln. Tja, was hätte die Regierung noch zu tun, wenn sie nicht das schwer verdiente Geld der Bürger nicht aus dem Fenster werfen könnte?
Auch jetzt, als seine Hand über die Konsole aus rostfreiem Stahl mit den drolligen Einbau-Aschenbechern fuhr, als er die gefilterte Luft roch und die schützende Kühle der ihn umgebenden Erde spürte, schweiften seine Gedanken für einen Augenblick in die Ära des Kalten Krieges zurück. Damals hatten Hammer und Sichel immerhin ein bestimmtes Maß an Gewißheit bedeutet; der schwerfällige russische Stier war Thornhill lieber als die wendige Sandviper, bei der man erst wußte, ob sie in der Nähe lauerte, wenn sie zubiß und einem ihr Gift in die Adern spritzte. Es gab viele Leute, die sich im Leben nichts sehnlicher wünschten, als die USA in die Knie brechen zu lassen. Es war Thornhills Aufgabe, dafür zu sorgen, daß es nie dazu kam.
Er ließ den Blick in die Runde schweifen und erkannte zufrieden, daß die Hingabe der anderen Anwesenden zu ihrem Land der seinen in nichts nachstand. Thornhill hatte Amerika schon seit früher Kindheit dienen wollen. Sein Vater war beim OSS gewesen, dem Vorläufer der CIA im Zweiten Weltkrieg. Thornhill Senior hatte nur wenig von dem verlauten lassen, was er damals getan hatte, doch er hatte dem Sohn die Philosophie eingeimpft, daß es im Leben nichts Größeres gab, als seinem Land zu dienen. Gleich nach dem Studium in Yale war der junge Thornhill zur CIA gegangen. Sein Vater war bis zu seinem Todestag stolz auf ihn gewesen. Und der Sohn war stolz auf den Vater.
Thornhills silbern schimmerndes Haar verlieh ihm eine distinguierte Ausstrahlung. Seine Augen waren grau und lebhaft, sein Kinn energisch, die Stimme tief und kultiviert. Technische Fachausdrücke kamen ihm ebenso leicht und klangvoll über die Lippen wie Gedichte von Longfellow. Er trug noch immer Anzüge mit Weste und rauchte lieber Pfeife als Zigaretten. Der achtundfünfzigjährige Mann hätte seine Zeit bei der CIA in aller Ruhe aussitzen und dann das ruhige Leben eines weitgereisten und kultivierten Ex-Staatsdieners führen können. Doch er hatte nicht vor, sich in aller Stille zu verabschieden. Der Grund dafür war glasklar.
In den letzten zehn Jahren waren die Zuständigkeiten und der Etat der CIA immer mehr beschnitten worden. Es war eine katastrophale Entwicklung; denn die Feuerstürme, die in verschiedenen Teilen der Erde aufloderten, wurden immer häufiger von fanatischen Köpfen entfacht, die man keinem politischen Körper zurechnen konnte und die obendrein die Mittel besaßen, sich Massenvernichtungswaffen anzueignen. Doch während fast
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