Die Verschwörung
müssen wir alle über das Ende unseres eigenen Lebens hinausdenken. Ja, sogar über das Leben unserer Kinder hinaus. Wir haben das Recht dazu. Und die Pflicht, hat er gesagt.«
Buchanan strich seine Serviette glatt. »Vielleicht tue ich das, was ich tue, weil in dieser Welt die Summe des Unglücks die des Glücks überwiegt. Und das ist einfach nicht recht.« Wieder hielt er inne, und Tränen traten ihm in die Augen. »Ansonsten weiß ich es auch nicht.«
KAPITEL 28
Brooke Reynolds hatte gerade das Tischgebet gesprochen. Zehn Minuten zuvor war sie durch die Tür gestürmt, gerade noch rechtzeitig zum Abendessen. Ihre reguläre Arbeitszeit ging von Viertel nach acht bis siebzehn Uhr. Das war der größte FBI-Witz: reguläre Arbeitszeit. In Windeseile hatte sie Jeans und einen Pulli angezogen und ihre Wildlederhalbschuhe mit Reeboks vertauscht. Das gemeinsame Abendessen war etwas, das Brooke in Ehren zu halten versuchte. Sie versuchte es jeden Abend einzuhalten, selbst wenn es bedeutete, daß sie anschließend wieder zur Arbeit mußte.
Ihre Aufgabe heute abend war es, die Teller mit Erbsen und Kartoffelbrei für alle zu füllen. Rosemary hatte den Kindern Milch eingeschenkt, und Brookes Tochter Theresa half dem dreijährigen David, das Fleisch zu schneiden.
Während die Hälfte ihres Hirns sich immer noch damit beschäftigte, Faith Lockhart und ihren neuen Verbündeten Lee Adams aufzuspüren, wartete die andere Hälfte in freudiger Erwartung auf Halloween. Noch knapp eine Woche. Sydney, ihre sechsjährige Tochter, war zum zweitenmal hintereinander fest entschlossen, sich als I-ah zu verkleiden. David würde als der muntere Tigger gehen, eine Figur, der perfekt zu dem lebhaften Jungen paßte. Danach, an Thanksgiving, machten sie vielleicht einen Ausflug zu ihren Eltern nach Florida, falls Brooke die Zeit dazu fand. Dann kam Weihnachten. In diesem Jahr war sie fest entschlossen, den Kinder den Weihnachtsmann zu zeigen. Im letzten Jahr war sie nicht dazu gekommen, aus dienstlichen Gründen. Aus welchen Gründen auch sonst? Diesmal gedachte Brooke ihre 9-Millimeter auf jeden zu richten, der es wagte, die Begegnung mit Santa Claus zu unterbinden. Alles in allem war es ein guter Plan, vorausgesetzt, es gelang ihr, ihn in die Tat umzusetzen. Planung war leicht; Ausführung war der Schlüssel, der so oft aus dem Schloß fiel.
Brooke stand vom Tisch auf und schenkte sich ein Glas Weißwein ein. Als sie die Flasche wieder verkorkte, schaute sie sich traurig in dem Heim um, das bald nicht mehr das ihre sein würde. Ihr Sohn und ihre Tochter spürten, daß Veränderungen anstanden. David schlief seit einer Woche nachts nicht mehr durch. Wenn Brooke nach einem fünfzehnstündigen Arbeitstag nach Hause kam, nahm sie den zitternden, weinenden Kleinen in die Arme, versuchte ihn zu beruhigen und wiegte ihn wieder in den Schlaf, versuchte ihm klarzumachen, daß alles wieder gut werden würde, obwohl sie nicht das mindeste über die Zukunft wußte. Manchmal war es schrecklich, Kinder zu haben, besonders dann, wenn man mitten in einer Scheidung war und den ganzen Schmerz, den so etwas mit sich brachte, jeden Tag in den Gesichtern der Kinder sah. Sie hatte sich mehr als einmal überlegt, ob sie die Scheidung nicht aus diesem Grund bleiben lassen sollte. Aber nur der Kinder wegen weiterzumachen war auch keine Lösung. Zumindest nicht für sie. Sie würden ohne den Mann, der bei ihnen gewesen war, ein besseres Leben führen. Und ihr Exmann war nach der Scheidung vielleicht ein besserer Vater als jetzt. Zumindest konnte man es hoffen. Sie wollte die Kinder einfach nicht enttäuschen.
Als Brooke ihre Tochter Sydney dabei ertappte, daß sie ihre Mutter besorgt anschaute, lächelte sie so natürlich sie konnte. Sydney war zwar erst sechs, aber sie hätte auch sechzehn sein können. Sie war so frühreif, daß es einen manchmal erschrecken konnte. Die Kleine bekam einfach alles mit. Brooke hatte in ihrem ganzen Berufsleben noch nie einen Verdächtigen so gründlich verhört, wie sie fast jeden Tag von Sydney in die Zange genommen wurde. Das Kind versuchte zu begreifen, was vor sich ging und was die Zukunft für sie bereithielt, doch Brooke wußte auf diese Fragen selbst keine klaren Antworten.
Sie hatte Sydney spätabends mehr als einmal dabei ertappt, wie sie ihr weinendes Brüderchen an sich gedrückt und getröstet hatte, um seine Ängste zu zerstreuen. Brooke hatte dem Mädchen vor kurzem gesagt, es brauche nicht auch noch die
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