Die Verschworenen
Lippen sind aufeinandergepresst, er weiß genau, worauf ich hinauswill.
»Du hast so gelacht damals. ›Dass ausgerechnet uns das passiert‹, hast du zu Vilem gesagt. Er fand es weniger lustig. Aber vielleicht freut es dich, dass ich die Ironie der Situation durchaus schätzen kann, jetzt, nachdem ich sie begreife.«
Quirin hat seine Hände auf den Globus gelegt, seine Finger streichen über die Oberfläche, als wollte er ein Tier beruhigen.
»Hast du Jordan gekannt?«, frage ich. »Ich habe im Tiefspeicher Teile seiner Chronik gefunden. Nicht genug, um schon damals alles zu durchschauen, leider. Ich war so gefangen von seinen Erzählungen über das Leben im Untergrund, seine Gefährten Chendar und Porter … Und dann war da noch Dhalion. Den ich für einen weiteren Flüchtling gehalten habe oder für ein Kind, weil Jordan so besorgt um ihn war. Aber damit habe ich falschgelegen, nicht wahr?«
Quirin strafft sich. Lächelt. »Jordan war mein Großvater.«
Eine erste Lücke schließt sich. Sein Großvater, das erklärt vieles. Quirin, der Bewahrer, der das Erbe seiner Familie verwaltet. Der Dhalion pflegt und dafür sorgt, dass er seiner Bestimmung zugeführt wird.
»Ich war bei eurem Dornenritual dabei«, sage ich leise. »Du selbst hast mir den Platz mit der besten Sicht auf die Hecke gezeigt. Hattest du keine Bedenken, dass ich begreifen könnte, was ich da sehe?«
Seine linke Augenbraue hebt sich. »Hast du es denn begriffen?«
»Nein. Damals noch nicht. Aber jetzt verstehe ich es. Erst kommt Dhalion und dann, ein paar Jahre später, sein freundlicher Bruder. Aber der kommt nur zu den Kindern, die dann noch in der Obhut des Clans sind.«
Ein leichter Stoß, der Globus dreht sich wieder. »So ist es.« Es liegen weder Triumph noch merkliches Bedauern in diesem Satz, dafür aber eine große Mattigkeit.
»DH/L10/V. Es ist ein Virus, nicht wahr? Oder ein Parasit?«
Einer langer Augenblick vergeht, in dem Quirin unschlüssig scheint, ob er mir antworten oder so tun soll, als wüsste er nicht, wovon ich rede. Am Ende gibt er sich einen Ruck. »Dhalion ist ein künstlich geschaffenes Virus. Mein Großvater hat es entwickelt, im Auftrag des damaligen Präsidenten des Sphärenbundes.«
In mir wird alles leicht, gleichzeitig schnürt sich meine Kehle zu. Ich habe die richtigen Schlüsse gezogen.
»An der Akademie habe ich eine Geschichte gehört«, murmele ich, »von einigen Wissenschaftlern, die die Sphären verraten und sich den Außenbewohnern angeschlossen haben.« An dieses Ereignis habe ich lange nicht mehr gedacht, das letzte Mal, nachdem ich den Exekutor in der Bibliothek der Akademie belauscht hatte. Nie hätte ich vermutet, dass der Verrat dieser Forscher so unmittelbar mit mir selbst zu tun haben könnte. »Es hieß, sie hätten wichtige Forschungsergebnisse mitgenommen. Einer wurde gefasst und hingerichtet, die andern sollen erfroren sein.«
»Niemand ist erfroren, aber Laveran haben sie gefangen.« Quirin blickt zu Boden. »Er war älter als die anderen drei und weniger schnell. Jordan hat oft an ihn gedacht und von ihm erzählt, hat ihn immer als besonders freundlichen und klugen Mann beschrieben. Sie konnten ihn nicht retten, das hat sie ihr ganzes Leben lang gequält.«
Meine Träume beginnen mir Angst zu machen. Letzte Nacht war ich wieder auf der Flucht und Laveran war hinter mir. Dann ist alles so gekommen wie damals: Sie haben ihn geschnappt und er hat nach mir gerufen, voller Panik, aber ich bin nur schneller gelaufen, schneller, immer schneller …
Ich frage mich, ob Quirin diesen Teil der Chronik kennt. »Das alles wegen Dhalion? Den sie selbst geschaffen hatten?«
»Du ahnst sicher«, sagt Quirin sanft, »wofür er gedacht war.«
Mit meinem heutigen Wissensstand ist das eine leicht zu beantwortende Frage. »Er sollte die Clans ausrotten, vermute ich. Die Außengebiete von ihren Bewohnern befreien.«
»Richtig. Doch zu Beginn wussten Jordan und seine Kollegen davon nichts. Es hieß, sie würden das Virus für den Notfall entwickeln, niemand würde es einsetzen, außer vielleicht bei Clans, denen anders nicht beizukommen wäre.« Quirin wedelt lässig mit der Hand. »Du kennst das Denkmuster, nicht wahr? Jordan war ein typischer Forscher – die Wissenschaft war ihm wichtiger als die Folgen, die seine Ergebnisse haben könnten. Doch dann muss etwas passiert sein, das alles verändert hat, aber darüber wollte Großvater nie mit mir sprechen.«
Ein Virus, dazu geschaffen, ganze
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