Die Verschworenen
alles, alles, alles und ende mit unserer Flucht am heutigen Morgen, der Wochen zurückzuliegen scheint.
»Ich möchte dich nicht zur Gegnerin haben«, stellt er nach einer langen Pause fest. »Es ist kaum möglich, etwas vor dir zu verbergen, nicht wahr?«
»Diesmal war großes Glück dabei.« In Wahrheit ist mir bewusst, dass ich nie so viel herausgefunden hätte, wenn ich nicht Albina begegnet wäre, die mir so sehr vertraut hat und die ich so enttäuscht habe. Ich versuche mir vorzustellen, was sie jetzt wohl tut, was sie denkt, ob sie verhört wird.
»Ich brauche das Serum.«
Sandor streicht sich das Haar aus der Stirn. »Ich weiß nicht, wo es ist. Und –«
»Dich gegen Quirin aufzulehnen, wäre gleichbedeutend mit einem Eidbruch«, helfe ich ihm über sein Zögern hinweg. »Das ist in Ordnung. Ich verlange nichts Derartiges von dir. Nur darfst du mich nicht darum bitten, dass ich unter der Erde sitze und die Dinge einfach laufen lasse. Tycho kann ich durch die Hecke schicken und hoffen, dass noch genug Wirkstoff auf den Dornen klebt, aber Aureljo und Dantorian – sie werden erkranken und sterben, und mit ihnen wieder Tausende Menschen.«
Ich sehe Tomma vor mir, wie sie nach Luft schnappt, wie ihre bläulichen Lippen Worte formen wollen, wie sie in Sandors Armen erstickt. Wie Quirin dabei zusieht; bedrückt, aber tatenlos.
»Du wirst zurückgehen?« Er hört sich unglücklich an und ich würde ihm am liebsten versprechen, nie wieder von seiner Seite zu weichen, von nun an jeden Tag mit ihm zu verbringen und mich nur noch den täglich neu aus dem Boden sprießenden Pflanzen zu widmen, die aus dem erst weißen und jetzt braunen Land ein grünes werden lassen. Auch mir würde ich das gerne versprechen.
Doch so wird es nicht sein.
»Ich kann auf keinen Fall zurück nach Vienna 2 gehen«, antworte ich. »Ich werde mir etwas anderes einfallen lassen müssen.«
»Heute noch?«
Mir ist trotz des Umhangs kühl geworden. Im Aufstehen spüre ich, wie müde sich meine Beine anfühlen, und gleichzeitig wird mir bewusst, dass ich keine Schlafstatt für die Nacht habe.
»Nein. Heute nicht mehr.«
»Gut.« Er nimmt mich in die Arme. »Ich weiß einen Ort, wo es warm ist und sicher. Wo uns niemand finden wird.«
Ich nicke nur.
Wir verschränken unsere Finger ineinander und ich folge Sandor zur Treppe, die uns wieder unter die Stadt führen wird.
Erneut schreit der Vogel aus dem Wald. Ich glaube, es ist eine Eule.
Ursula Poznanski , geboren in Wien, studierte sich einmal quer durch das Angebot der dortigen Universität, bevor sie nach zehn Jahren die Hoffnung auf einen Abschluss begrub und sich als Medizinjournalistin dem Ernst des Lebens stellte. Nach der Geburt ihres Sohnes begann sie Kinderbücher zu schreiben. Ihr Jugendbuchdebüt Erebos erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis) und machte die Autorin international bekannt. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.
© Loewe Verlag GmbH, Bindlach 2013
Coverfoto: © iStockphoto.com/macroworld
Covergestaltung: Christian Keller
Redaktion: Ruth Nikolay
eBook-Konvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
E-Pub 2.0 ISBN 978-3-7320-0015-9
Printausgabe Hardcover ISBN 978-3-7855-7547-5
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