Die verschwundene Frau
nichts über Nicola Aguinaldo gesagt hatte, was ich nicht schon wusste. »Sie sagen, sie ist in der Werkstatt verletzt worden?«
»Sie wissen schon, da, wo wir die Arbeit fürs Gefängnis machen. Sie war in der Näherei. Meine Freundin Erica - ihre Zellengenossin Monique hat an dem Tag da gearbeitet, wo der Aufseher auf Nicola losgegangen ist.«
»Vielleicht könnte ich ja mit dieser Zellengenossin sprechen.«
»Damit die die Belohnung kriegt, wo ich doch die ganze Arbeit gemacht habe? Nein danke!«
»Sie würden einen Finderlohn bekommen«, ermutigte ich sie. »Und die Zellengenossin die Belohnung für die Information.«
Bevor ich weiter drängen konnte, wurde die Verbindung unterbrochen. Ich rief in der Vermittlung an, um zu fragen, ob man sie wiederherstellen könne, aber dort erfuhr ich, was ich ohnehin schon wusste: Man konnte vom Gefängnis aus nach draußen rufen, aber nicht hinein.
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Also hatten die Leute im Gefängnis im Hinblick auf die Eierstockzyste gelogen. Der Gedanke, dass Nicola einen Aufseher angegriffen hatte, erschien mir ausgesprochen unwahrscheinlich, aber andererseits hatte ich ganz genau gemerkt, wann Veronica anfing zu lügen - bei der Geschichte, dass die Aufseher Nicolas Leiche aus der Krankenstation gebracht hätten. Natürlich hatte sie eine ganze Woche Zeit gehabt, sich eine halbwegs realistische Geschichte auszudenken. Man braucht nicht hinter Gittern zu sitzen, um einfallsreich zu werden, aber die Chancen sind dort ungleich größer. In meiner Zeit als Pflichtverteidigerin waren mir alle nur erdenklichen Geschichten untergekommen.
Ich brauchte mehr Informationen über Coolis, darüber, was Nicola an dem Tag, bevor sie in die Krankenstation gebracht worden war, getan hatte. Ich würde also noch einmal dorthin Jahren müssen, in meiner Rolle als Anwältin.
Doch zuvor musste ich eine ganze Menge anderer Dinge erledigen. Die Frau von der Agentur stand mit einem Stapel Computerausdrucke vor mir, die sortiert werden mussten.
Wir waren halb mit dieser Aufgabe fertig, als Tessa hereinmarschierte. Sie hatte rote Perlenschnüre um ihre Locken geschlungen und das Ganze mit einem Tuch zurückgebunden.
»Was ist denn hier los, V. I., dass du dieses lächerliche...?« Erst jetzt nahm sie das Chaos wahr. »Du gütiger Himmel! Ich wusste ja, dass du nicht sonderlich ordentlich bist, aber solche Formen hat's noch nie angenommen.«
Ich erklärte der Aushilfe noch einmal genau, was sie tun musste, und ging dann mit Tessa in ihr Atelier, um mich mit ihr zu unterhalten. Sie sah mich stirnrunzelnd an, als ich mit meiner Geschichte fertig war.
»Ich fühle mich jetzt ganz schon ausgesetzt hier.«
»Ich auch«, pflichtete ich ihr bei. »Aber wenn dich das tröstet: Ich glaube nicht, dass die Leute, die dieses Chaos angerichtet haben, dir was wollen.«
»Ich werde ein besseres Schloss anbringen lassen. Eins, das noch sicherer ist als das, das du jetzt dran hast. Und ich bin der Meinung, dass du es bezahlen solltest, weil die Eindringlinge ja was von dir wollten und nicht von mir.«
Ich atmete laut und vernehmlich aus. »Das heißt also, dass du das Schloss aussuchen willst und ich es finanzieren soll? Nein danke. Das letzte Mal hast du ein Code-System gewählt, das offenbar ziemlich leicht zu knacken ist.«
Sie runzelte wieder die Stirn. »Wie haben sie das gemacht?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Sie haben sich nicht an dem Nummerncode selbst zu schaffen gemacht, also könnte ich mir vorstellen, dass sie Tinte verwendet haben, die auf UV-Strahlen reagiert. Da besprüht man die Tastatur, wartet, bis jemand die Nummer eingibt und reingeht und richtet dann eine Lampe mit UV-Licht drauf. Die Tasten, die man gedrückt hat, sind sauber. Dann braucht man diese Zahlen nur in unterschiedlichen Kombinationen durchzuprobieren. Wenn wir uns wieder so ein System anschaffen, müssen wir dran denken, jedesmal alle Tasten zu berühren. Ein Magnetkartenschloss wäre schwieriger zu knacken, aber dann müssten wir die ganze Zeit die Karte mit uns rumtragen. Natürlich kann jeder ein Schloss aufbrechen, aber dazu braucht man Werkzeug, und das ist auffälliger. Ich habe Elton gebeten, für uns ein Auge auf unsere Räume zu haben.«
»Mein Gott, Vic! Wie kannst du nur einen obdachlosen Alkoholiker um so was bitten.«
»Er ist ja normalerweise nicht sturzbesoffen«, sagte ich. »Und wenn er trinkt, kann er trotzdem noch die Augen offenhalten. Außerdem werde ich Mary Louise
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