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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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bitten, sich darum zu kümmern. Vorausgesetzt, sie hat Zeit.«
    Ich schwieg nachdenklich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Mary Louise im Augenblick verdächtig wenig Zeit für mich hatte. Sie schien mir eher Angst zu haben.
    Tessa war zu sehr in ihre eigenen Gedanken vertieft, um mein Zögern zu bemerken. »Daddy meint, wir sollten uns ein System von Honeywell anschaffen - das ist an einen zentralen Computer angeschlossen.«
    »Möglicherweise hat dein Daddy recht. Aber die Typen, die hier eingedrungen sind, hätten das auch ausgetrickst.«
    Wir diskutierten das Problem noch eine Weile, bis die Frau von der Agentur zu mir kam, um mich etwas zu fragen.
    Am Nachmittag versuchte ich ein paarmal, die Baladines zu erreichen, erwischte aber nur das Hausmädchen Rosario, das sagte: »Robbie nicht zu Hause, Robbie weg, Missus weg.« Als ich das dritte Mal anrief, verlangte ich eine der frühreifen Schwimmtöchter. Ich erinnerte mich noch, dass sie merkwürdige Namen gehabt hatten, aber es dauerte eine Weile, bis mir »Madison« und »Utah« wiedereinfielen.
    Ich stellte mich nicht namentlich vor, weil ich mir denken konnte, dass die Baladines ihre Töchter vor mir gewarnt hatten. Madison war zwei Wochen zuvor ziemlich redselig gewesen, und auch jetzt enttäuschte sie mich nicht.
    »Robbie ist nicht daheim. Er ist weggelaufen, und Mommy sucht nach ihm. Daddy ist stinkesauer. Er sagt, wenn er Robbie findet, sorgt er dafür, dass er mehr Mumm kriegt. Wir sind schon viel zu lange nachsichtig mit ihm gewesen.«
    »Er ist weggelaufen? Weißt du denn, wohin?« Ich hoffte nur, dass es irgendwo eine Großmutter oder eine Tante gab, die Robbie gut leiden konnte.
    Ja, bestätigte Madison, Eleanor sei zu ihrer Mutter gefahren, um nachzusehen, ob Robbie sich dort versteckte. »Wir fahren am Samstag nach Frankreich, und bis dahin muss Robbie wieder dasein. Wir haben ein Schloss mit Swimmingpool gemietet, damit ich und Utah und Rhiannon trainieren können. Wissen Sie, dass wir am Labor Day hier einen Schwimmwettbewerb haben? Wenn Rhiannon mich da im Rückenschwimmen schlägt, kriege ich einen Anfall. Robbie kann mich nicht schlagen, er ist viel zu fett, der schafft überhaupt nichts mit seinem Körper. Letzten Sommer zum Beispiel -da ist er über seine eigenen Füße gefallen, als er bei unserer Cousine Fußball gespielt hat. Ist über seine Schnürsenkel gestolpert. Das hat so lustig ausgeschaut, dass ich und meine Cousine Gail uns fast kaputtgelacht haben. Robbie hat dann die ganze Nacht geweint. So was machen bloß Heulsusen.«
    »Ja, ich erinnere mich«, sagte ich. »Du hast nicht mal geweint, als ein Feuerwehrwagen deine Katze überfahren hat. Oder hast du geweint, weil hinterher auf dem hübschen glänzenden Lack ein Fleck war?«
    »Was? Fluffy ist nicht von einem Feuerwehrwagen überfahren worden. Das war Mom; sie hat sie überfahren. Robbie hat geweint. Er hat auch geweint, als die Katze einen toten Vogel gebracht hat. Ich hab' nicht geweint.«
    »Du wirst irgendwann noch Dr. Mengele Ehre machen.«
    »Wem?« fragte sie.
    »Dr. Mengele.« Ich buchstabierte den Namen. »Sag BB und Eleanor, dass er gern ein aufgewecktes Kind wie dich ausbilden würde.«
    Ich riss mich zusammen und knallte den Hörer nicht auf die Gabel; schließlich konnte sie nichts dafür, dass ihre Eltern sie zu einem unsensiblen Menschen erzogen. Ich hätte mir gern Zeit genommen, um nach Robbie zu suchen, hatte aber einfach zuviel um die Ohren. Zum Beispiel wusste ich nicht, was ich mit Veronica Fasslers Anruf aus Coolis anfangen sollte. Am folgenden Morgen würde ich noch einmal hinfahren, und jetzt konnte ich versuchen, mit dem Arzt zu sprechen, der Nicola Aguinaldo im Beth Israel operiert hatte.
    Bevor ich im Krankenhaus anrief, schraubte ich mein Telefon auf, um zu sehen, ob die Eindringlinge eine Wanze dann versteckt hatten. Als ich nichts Ungewöhnliches entdeckte, beschloss ich, mir auch noch das Telefonkästchen draußen hinter dem Lagergebäude anzuschauen. Dort stellte ich fest, dass die Drähte angezapft waren. Ich tippte nachdenklich dagegen. Wahrscheinlich war es das beste, wenn ich alles so ließ, wie es war, denn wenn ich etwas daran veränderte, würde Baladine sich ein komplizierteres und schwerer auszutricksendes Überwachungssystem ausdenken.
    Als ich wieder drinnen war, schob ich eine Aufnahme der Goldberg-Variationen von Andräs Schiff in den CD-Player, den ich im Büro hatte, setzte mich mit meinem Handy neben den Lautsprecher und rief

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