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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Gefängnisinsassinnen. Nach Ansicht der Gefängnisleitung würden wir aus der U-Haft uns ohnehin nicht lange genug in Coolis aufhalten, um die dafür nötige Ausbildung zu Ende zu bringen - oder, und ich denke, das war die realistischere Interpretation, es würde einfach zu lange dauern, bis wir auf der Warteliste für die begehrtesten Jobs nach oben gerückt waren.
    Natürlich interessierte ich mich am stärksten für die Näherei. Wenn ich im Speisesaal in der Warteschlange stand oder Sport trieb oder in meiner Zelle für die anderen Frauen Briefe schrieb, versuchte ich immer wieder, jemanden zu finden, der dort arbeitete oder die Zelle mit einer Frau teilte, die in der Näherei war. Die Geschichten darüber unterschieden sich, und niemand wollte dort arbeiten.
    »Aber ich kenne eine Frau - Nicola -, die hat ihrer Mutter geschrieben, dass die Bezahlung dort sehr gut ist«, sagte ich eines Tages zu den Frauen, die mir dabei zusahen, wie ich Korbwürfe übte.
    Die Frauen spielten selbst nicht, hofften aber, dass jemand auftauchen würde, um mich herauszufordern, denn Wetten waren in Coolis ein beliebter Zeitvertreib. Eine der Frauen erkundigte sich, wer Nicola sei.
    »Das war die junge Chinesin, die weggelaufen ist«, sagte eine Frau.
    »Die war nicht aus China, aber auch irgendwo aus der Gegend, vielleicht aus Japan«, meldete sich eine Frau namens Dolores zu Wort.
    »Sie kam von den Philippinen«, sagte ich und sprang nach dem Ball; der gerade vom Korbrand abgeprallt war. »Ich kenne ihre Mutter, und sie hat gesagt, Nicola hat ihr geschrieben, sie ist wirklich froh, in der Näherei arbeiten zu dürfen.«
    »Tja, wenn sie das in einem Brief nach Hause geschrieben hat...«, meinte Dolores mit einem verächtlichen Schnauben. »Die lassen einen in den Briefen nichts Negatives schreiben und zensieren alles. Eine Frau, die in der Näherei gearbeitet hat, hat die ganze Zeit geweint, weil die Leute da sie so hart anpacken.«
    Eine dritte Frau sagte, in der Näherei arbeiteten nur Ausländerinnen, die sie so lange antrieben, bis sie starben, und dann holten sie als Ersatz neue junge Ausländerinnen.
    »Ach, sei nicht albern«, meinte Dolores. »Sie nehmen bloß Ausländerinnen, weil sie wissen, dass die sich nicht beschweren. Die haben Angst, dass ihre Kinder abgeschoben werden.«
    »Stimmt, aber du erinnerst dich doch noch an Monique, oder? Sie war aus Haiti, und die hat gesagt, im hinteren Zimmer arbeiten nur Ausländerinnen aus der Todeszelle. Die sind alle in Einzelhaft, und die Aufseher bringen sie am Morgen in einem abgesperrten Lieferwagen zur Arbeit und holen sie am Abend wieder ab.«
    Der Gedanke war gar nicht so uninteressant, doch ich sagte den anderen, dass es in Coolis meiner Meinung nach keine Todeszellen gab.
    »Mag sein«, sagte die Frau, die das erzählt hatte, »aber irgendwas Merkwürdiges passiert da. Vielleicht liegt's daran, dass sie in der Näherei keine Amerikanerinnen arbeiten lassen. Da sind bloß Frauen aus Mexiko und China und - wo, hast du gesagt, war diese Nicola her? - Vorsicht, Polsen beobachtet uns. Gehen wir lieber wieder in unsere Zellen.«
    Die letzten Sätze murmelte sie mit sich kaum bewegenden Lippen. Das lernte man im Gefängnis schon nach ein paar Tagen. Polsen beobachtete die Frauen praktisch immer mit seltsamem Blick, wenn er sie nicht gerade begrabschte oder drohte, es zu tun.
    Polsen gehörte zu den Aufsehern, denen ich wenn möglich aus dem Weg ging, aber natürlich hatten alle Wachleute einen immensen Einfluss auf unser Leben. Wenn sie einen nicht leiden konnten, schrieben sie einen auf, was zur Folge haben konnte, dass man nicht mehr in den Gefängnisladen durfte oder eine Weile in Einzelhaft kam. Den Frauen jedoch, die sie mochten, brachten sie kleine Geschenke mit, zum Beispiel bessere Kosmetika, als es sie im Laden gab, oder Drogen. Aber das war natürlich nicht umsonst. Rohde, der mit einer der Frauen von der Iscariot-Gang schlief, war nicht der einzige Aufseher, der Sex mit einer Insassin hatte.
    Mit zu den schlimmsten Dingen in Coolis gehörte für mich die ständige sexuelle Belästigung, die sowohl auf verbaler als auch auf körperlicher Ebene stattfand. Viele der Wachleute, nicht nur Rohde, legten einem die Hand auf den Hintern, wenn man an der Essensausgabe stand. Und wenn sie einen nach einem Besuch von draußen durchsuchten, ließen sie sich für gewöhnlich bei den Brüsten sehr viel mehr Zeit als nötig. Ich hatte mittlerweile gelernt, mich dabei nicht zu

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