Die verschwundene Frau
richtigen Kanäle lenke, könne es ihm gelingen, das Gesetz über den ausschließlichen Verbrauch von Gefängnisprodukten im Gefängnis abzuschaffen, aber das ist schiefgegangen. Normalerweise wird ziemlich genau das gemacht, was der Speaker sagt, aber in diesem Fall war nichts zu machen, weil das einer Sabotage der offiziellen Arbeitsplätze gleichgekommen wäre und die Parteiabgeordneten auf die Barrikaden getrieben hätte.«
Morrell spielte mit den Fotos herum. »Ich verstehe das immer noch nicht ganz. Hat Baladine sein Kindermädchen also nur deshal b festnehmen lassen, weil sie noch Arbeitskräfte gebraucht haben in der Gefängnisnäherei?«
»Nein. Man hat Nicola wegen Diebstahls verhaftet. Sie wurde rechtskräftig verurteilt und ist schließlich in der Näherei gelandet, weil sie zierlich und geschickt mit den Händen war und nicht allzuviel Englisch konnte und die Leute im Gefängnis alles tun, um Informationen über die Gefängnisproduktion nicht nach außen dringen zu lassen. Sie schüchtern die Frauen, die in der Näherei arbeiten, ein und versuchen, sie von den anderen Gefängnisinsassinnen fernzuhalten. Ich habe schon sehr bald herausgefunden, dass die Frauen Angst vor der Arbeit in der Näherei haben, auch wenn sie dort besser verdienen.
Dann hat Nicola erfahren, dass ihr Baby an Asthma gestorben ist. Wenn die Krankenhauskosten für das Baby zuvor nicht so hoch gewesen wären, hätte Nicola nie die Halskette gestohlen und wäre auch nie im Gefängnis gelandet. Jedenfalls wollte sie das tote Kind sehen und selbst begraben, aber sie haben sie nur ausgelacht. Da hat sie den Kopf verloren und ist auf diesen Typ hier« - ich deutete mit dem Finger auf Hartigans Gesicht - »losgegangen. Er hat sie mit dem Elektroschocker niedergestreckt und ihr Tritte versetzt. Dabei hat sie sich einen Darmriss zugezogen. Sie haben sie in Einzelhaft verfrachtet, es dann aber mit der Angst zu tun gekriegt und sie ins Krankenhaus geschickt. Wahrscheinlich haben die Ärzte dort gesagt, es sei eine teure Operation nötig, um sie wiederherzustellen, die möglicherweise auch schiefgehen könne. Irgendwann sind sie vermutlich auf die Idee gekommen, sie einfach in der Nähe ihrer Wohnung auf die Straße zu legen, weil sie dann sagen konnten, sie sei weggerannt und kurz vorm Ziel vor ein Auto gelaufen.«
Meine Stimme wurde trockener und trockener, unpersönlicher und unpersönlicher, als ich versuchte, meine Gefühle während des Erzählens auf Eis zu legen. Morrell legte seine Hand ganz leicht au f meine, so dass ich sie wegziehen konnte, wenn ich wollte. Das lernt man im Berman-Institut: Man muss den Menschen genug Raum lassen, sich zurückzuziehen, wenn sie eine Berührung nicht ertragen. Ich drückte seine Finger dankbar, hatte aber das Bedürfnis aufzustehen und mich zu bewegen. Wir gingen hinaus in den Garten und unterhielten uns dort weiter, während ich ruhelos zwischen den spätblühenden Büschen hin und her wanderte.
»Als sie Nicola in Chicago hatten, haben sie gesehen, dass die Vorderseite ihres T-Shirts durch den Elektroschocker versengt war. Für den Fall, dass der Gerichtsmediziner die Brandlöcher bei einer Obduktion bemerkte, zogen sie sie aus und streiften ihr ein Mad-Virgin-T-Shirt über - mit ziemlicher Sicherheit eins von denen, die Lucian Frenada versuchsweise für Global hergestellt hatte.«
Ich erklärte Morrell, was ich an dem Abend bei Vater Lou, also unmittelbar vor meiner Festnahme, über Frenada und Trant erfahren hatte, dass er ein paar T-Shirts für Global hergestellt und sich sowohl mit Lacey als auch mit Trant über ihren Verbleib gestritten hatte.
»Er hat behauptet, dass Trant eins gestohlen habe, aber Lacey hat das mit einem Lachen abgetan. Ich anfangs auch - warum sollte einer von den Global-Bossen ein T-Shirt stehlen, wenn er jederzeit ein Dutzend davon umsonst haben konnte? Aber die, die Trant kriegen konnte, hatten alle ein Etikett mit der Aufschrift Made with Pride in the USA. Warum sie Nicola unbedingt ein Mad-Virgin-T-Shirt anziehen wollten, weiß ich nicht - vielleicht hat Trant gedacht, dass er dann Frenada den Mord anhängen könnte, wenn irgend jemand Fragen stellen sollte. Jedenfalls war alles, was sie gemacht haben, wie aus einem schlechten Film und könnte gut und gern dem Gehirn eines Filmmenschen entsprungen sein. Aber vielleicht war auch alles Alex Fishers Idee.
Als sie glaubten, ich würde sterben, haben sie mir das T-Shirt mit den Brandlöchern von dem Elektroschocker in
Weitere Kostenlose Bücher