Die verschwundene Frau
Baladines entfernt ab. Es stand offen, wurde aber von uniformierten Sicherheitskräften von Carnifice Security bewacht. Ich stellte mich in die Warteschlange, die bis auf die Straße reichte, und landete zwischen ein paar kleinen Mädchen, die sich wegen einer Sporttasche stritten, und zwei Männern mit gepflegtem Haarschnitt, die sich über Basketball unterhielten. Die Schlange bewegte sich nur langsam vorwärts, weil die Wachleute jeden Gast überprüften. Sie sahen sich meinen Presseausweis genau an und warfen auch einen Blick in meine Aktentasche, entdeckten dort aber nur Videokassetten und einen Notizblock. Ein weiterer Mann teilte Pläne und Programme aus. Er dirigierte mich in Richtung Pool, wo ein eigenes Zelt mit Erfrischungen für die Medienleute stand.
»Sie können die Toilette gleich bei der Küche benutzen, Ma'am. Die Zuschauer und die Schwimmer gehen in das Gartenhäuschen.«
Es tat mir gut, von einem Beschäftigten des Camifice-Imperiums »Ma'am« genannt zu werden. Also bedankte ich mich freundlich und mischte mich unter die Leute, die die Auffahrt hinaufgingen. Ich hatte mich nicht eigens verkleidet, hoffte aber, dass mein breitkrempiger Hut und die Tatsache, dass mich niemand hier erwartete, mich schützen würden. Ich bewegte mich zum hinteren Ende des Hauses, wo mehr Leute waren.
Im Medienzelt holte ich mir die Pressemappe, die auf den Namen Morrell ausgestellt war, verschwand aber wieder nach draußen, bevor ich mich auf Small talk mit irgend jemandem einlassen musste. Alex Fishers gestresste Assistentin war auch da; ich wollte nicht, dass sie mich nach Morrell fragte. Außerdem hatte ich schon einige Reporter entdeckt, die ich kannte, und die würden nicht lange brauchen, mein Gesicht trotz der breiten Krempe meines Hutes und der Sonnenbrille, die ich mittlerweile aufgesetzt hatte, zu erkennen.
Meiner Pressemappe entnahm ich, dass sich zweiunddreißig Kinder zu dem Wettbewerb angemeldet hatten, der nach Alter und Können in unterschiedliche Kategorien eingeteilt war. Der eigentliche Wettkampf sollte um ein Uhr beginnen, doch Global und Carnifice hatten sowohl davor als auch danach für jede Menge Unterhaltung gesorgt. Lacey Dowell war eingeladen, und die ersten drei VirginFilme wurden in einem Zelt hinter der Garage vorgeführt.
Die Veranstaltung hatte siebenundsechzigtausend Dollar eingebracht, die auf drei Wohltätigkeitseinrichtungen für behinderte Kinder, Kinder im Stadtzentrum und Kindersportprogramme verteilt werden sollten. Dazu kamen jeweils zehntausend Dollar von Carnifice Security und Global Entertainment. Es war ein Event, wie die Medien es sich erträumten, und deshalb wimmelte es auch nur so von Medienleuten.
»Jennifer! Wir sollen in fünf Minuten zur Pressekonferenz drinnen sein.«
Es war Eleanor Baladine. Ihre Stimme erklang so dicht neben nur, dass ich vor Schreck zusammenzuckte. Zwischen ihr und mir befand sich nur ein dichter Busch. Ich nippte nachdenklich an meinem Malvern-Wasser und behielt den türkisfarbenen Leinenstoff, das einzige, was ich von ihr sehen konnte, im Auge.
»Ich ärgere mich über Abigail«, sagte Eleanor gerade. »Sie sagt, Rhiannon hat seit Limoux genug vom Schwimmen und will nicht am Wettbewerb teilnehmen. Wenn sie das doch nur gesagt hätte, bevor wir die Programme haben drucken lassen: Ich habe versucht, ihr klarzumachen, was für einen schlechten Eindruck es macht, wenn eine der Organisatorinnen ihre Tochter vom Wettbewerb zurückzieht. Ich habe es sowieso lächerlich gefunden, wie sie ständig mit ihrer Tochter nach Toulouse zum Einkaufen gefahren ist, wie zwei Freundinnen. Meine Mädchen waren sechs Stunden am Tag im Pool und haben's genossen.«
»Aber nicht jeder hat soviel Energie wie du, Eleanor«, sagte Jennifer Poilevy. «Natürlich haben deine Mädchen deinen Kampfgeist geerbt. Dass Robbie nicht so ist, ist wirklich schade, aber es wäre schön gewesen, wenn du und BB ihn nach Frankreich mitgenommen hättet. Er hätte die Zwillinge vielleicht davon abhalten können, mich mit ihrer Kletterei und Springerei in Angst und Schrecken zu versetzen. Ich habe mir fast den ganzen Urlaub Sorgen gemacht, dass sie irgendwann auf einer Bahre zurückgebracht werden.«
»Tja, darüber brauchen wir uns bei Robbie keine Sorgen zu machen«, sagte Eleanor.
»Eleanor - da bist du ja.« Jetzt trat Baladine zu den beiden Frauen. Der Klang seiner Stimme löste solchen Hass und solche Wut in mir aus, dass ich mich verdrücken musste, um mich nicht auf ihn
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