Die verschwundene Frau
dem Mann, der sich mit Leuten unterhielt, die aus dem Gefängnis geflohen waren? Konnte es sein, dass er eine Rolle bei Nicola Aguinaldos Ausbruch oder vielleicht sogar bei ihrem Tod gespielt hatte?
Und wer hatte Nicolas Leiche abgeholt? Abuelita Mercedes, die Frau, die alle in der Gegend nur >Großmutter< nannten? Wenn ja, woher hatte sie gewusst, dass Nicola tot war? Von Morrell? Wer war er - ein Sozialarbeiter? Ein Journalist? Ich glaubte nicht, dass er von der Einwanderungsbehörde war. Und ich hielt ihn auch nicht für einen Polizisten - er war schon vor Nicolas Tod in der Gegend gewesen.
Ich zog Peppy von einer toten Möwe weg. Hätte doch bloß Vishnikov am Mittwoch die Obduktion von Nicolas Leiche durchgeführt. Wenn sie sich in Coolis wegen einer Eierstockzyste in ärztliche Behandlung begeben hatte, waren ihre Unterleibsverletzungen vielleicht darauf zurückzuführen, obwohl der Arzt im Beth Israel der Meinung gewesen war, sie sei geschlagen oder getreten worden. Ihre äußeren Verletzungen waren noch ganz frisch gewesen, als ich sie gefunden hatte, und auch den Arm hatte sie sich erst kurz zuvor gebrochen; es sah tatsächlich danach aus, als wäre sie von einem Auto angefahren worden. Wenn dem so war, gab es dann einen Liebhaber, der sie verprügelt hatte? Wieder wanderten meine Gedanken zu Robert und Eleanor Baladine zurück.
Ich konnte mir eine ganze Menge Situationen vorstellen, in denen ein Mann auf die Idee kommen konnte, sich auf eine Affäre mit einem im Haus wohnenden Kindermädchen einzulassen, aber hatte er dieses Kindermädchen des Diebstahls bezichtigt, um sich selbst zu schützen? Hätte das Mädchen sich hilfesuchend an ihn gewandt, sobald es aus dem Gefängnis entkommen wäre? Und dann - ja, was dann?
Robert Baladine war jedenfalls mit Edmund Trant, dem Leiter der Medienabteilung von Global Entertainment, befreundet -beziehungsweise die beiden Ehefrauen waren dicke Freundinnen. Und auch die Frau des Speaker von Illinois House gehörte zu der Gruppe. Für erfolgreiche Geschäftsmänner war es gar nicht schlecht zu wissen, dass ihre Gattinnen sich gut mit der Frau von einem der mächtigsten Männer im Land vertrugen.
Ich überlegte, was Murray über das Verhältnis zwischen Edmund Trant und Robert Baladine wusste. Oder über das zwischen Trant und Poilevy. Ich scheuchte Peppy auf den Rücksitz des Skylark und fuhr nach Hause.
Sauber - jedenfalls an der Oberfläche
Ich erreichte Murray zu Hause »Murray, ich bin's, V. I. War 'ne ganz schöne Show am Dienstag abend - ich hab' gesehen, dass sogar die New York Times sich herabgelassen hat, Notiz von Chicago zu nehmen und dir ein paar Zeilen zu widmen.«
»Danke, Vic.« Er klang argwöhnisch.
»Sogar ich bin in einem Nebensatz erwähnt«, fuhr ich fort. »Hast du dich mit Regine Mauger über mich unterhalten? Brosamen vom Tisch der Global-Mächtigen sind wirklich lecker. Wahrscheinlich wären nur ein paar solcher Brosamen nötig, um mir einen neuen Wagen zu beschaffen.«
»Mein Gott, Vic, lass mich in Ruhe! Meinst du denn, dass ich Regine auf die Idee gebracht habe, über dich zu schreiben? Wenn irgend jemand sie nervt, dann stürzt sie sich eben auf ihn. Ich habe keine Ahnung, was du getan hast, um sie zu verärgern - vielleicht hast du ja bei ihr daheim angerufen und sie mit Fragen gelöchert wie mich jetzt. Jedenfalls ist sie im Golden Glow zu mir gekommen und hat mich gefragt, wer du bist und wer dir 'ne Einladung verschafft hat.«
»Ich würde bloß gern wissen, wer ihr von der uralten Geschichte mit uns erzählt hat.« Ich klang aufrichtig verwundert, und als er stotternd etwas erwiderte, meinte ich: »Entschuldigung. Ich hab' dich eigentlich nicht angerufen, um dich auf den Arm zu nehmen. Es freut mich, dass der Abend so gut gelaufen ist. Ich wollte mit dir reden, weil ich auf dem Heimweg - im wahrsten Sinne des Wortes - über etwas Merkwürdiges gestolpert bin.«
Ich schilderte ihm kurz, den Hergang der Geschichte. »In der Zeitung habe ich nichts darüber gefunden, obwohl sie am Sonntag aus Coolis ausgebrochen ist. Aber heute habe ich etwas Seltsames erfahren. Sie war eine Filipina und illegal hier. Bevor sie ins Gefängnis gekommen ist, hat sie sich um die Kinder von Robert Baladine gekümmert. Meinst du nicht, dass das ein paar Zeilen in der Zeitung wert wäre? Schließlich ist Baladine der Geschäftsführer von Carnifice Security.«
»Ich schreibe nicht über Leute, die illegal hier sind, aus dem Gefängnis ausbrechen und
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