Die verschwundene Frau
hinterher sterben, Vic. Ich kann den Leuten von der Lokalredaktion Bescheid sagen, aber wenn die Sache am Sonntag passiert ist... heute ist schließlich schon Dienstag.«
Ich beachtete seinen kühlen Tonfall überhaupt nicht. »Hast du gewusst, dass Eleanor Baladine eine fanatische Schwimmerin ist? Sie hat seinerzeit ganz knapp die Qualifikation für die Olympischen Spiele verpasst und ist wild entschlossen, dass ihre Kinder sie einmal schaffen werden. Ich bin heute nachmittag draußen bei ihr gewesen und habe die Kinder im Pool trainieren sehen. Es waren übrigens auch die Tochter von Edmund Trant und die Söhne von Jean-Claude Poilevy da. Übrigens: >Utah< und >Madison< erinnern dich doch auch eher an Straßenrouten als an kleine Mädchen, oder?«
»Wenn du damit andeuten möchtest, dass Edmund Trant und Jean-Claude Poilevy sich mit Robert Baladine zusammengetan haben, um Baladines früheres Kindermädchen umzubringen, hast du dich in eine ganz schon absurde Theorie verrannt, Warshawski. Aber ich muss jetzt los, sonst komme ich zu spät zum Essen.«
»Sandy Fishbein oder Alexandra Fisher oder mit wem du auch immer gehst, wird schon fünf Minuten warten können, ohne dass es deiner weiteren Fernsehkarriere schadet. Die Beamten vom RogersPark-Revier haben den Bericht verloren und behaupten, ich sei betrunken gefahren und habe mich geweigert, einen Alkoholtest machen zu lassen. Sie wollen, dass ich gestehe, Fahrerflucht begangen zu haben. Dafür versprechen sie, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Findest du das nicht auch merkwürdig?«
Er schwieg eine ziemliche Weile. »Das ist allerdings ungewöhnlich. Trotzdem glaube ich nicht, dass Baladine sich mit Trant und Poilevy gegen dich verschworen hat.«
Ich spielte mit der Telefonschnur. »Ich behaupte ja auch gar nicht, dass es irgend jemand auf mich abgesehen hat - ich meine, auf mich persönlich. Aber ich glaube, dass jemand seinen Einfluss im RogersPark-Revier geltend macht und den Staatsanwalt dazu bringen will, den Fall sauber abzuschließen. Und weil ich zufällig vorbeigekommen bin und den Notarzt gerufen habe, habe ich jetzt die ehrenvolle Aufgabe, für dieses saubere Ende zu sorgen. Weißt du, Poilevy könnte Baladine einen Gefallen tun, indem er den Staatsanwalt dazu bringt, Dritte daran zu hindern, dass sie Fragen über Baladines Verhältnis zu seinem Exkindermädchen stellen. In dieser Stadt sind schon merkwürdigere Dinge passiert, tja, und ich wäre eine angenehme Lösung für die ganze Sache gewesen, nur wussten sie nicht, dass ich Privatdetektivin bin und meine Beifahrerin Expolizistin. Und außerdem habe ich meinen Wagen zur Begutachtung in ein unabhängiges Labor schicken lassen. Übrigens zusammen mit der Kleidung, die Nicola Aguinaldo zum Zeitpunkt ihres Todes getragen hat.«
»Vic, du weißt, dass ich dich wirklich gut leiden kann, aber ich bin spät dran, und ich habe keine Ahnung, warum du mir das alles erzählst.«Ich unterdrückte ein ungeduldiges Seufzen. »Was weißt du über Trants und Poilevys beziehungsweise über Poilevys und Baladines Zusammenarbeit? Irgend etwas, das mir sagen würde, ob Poilevy hinter dieser Sache stecken könnte?«
»Nichts. Außerdem habe ich nicht vor, in Edmund Trants Leben herumzustochern. Nicht mal dann, wenn ich dafür zusehen dürfte, wie Eleanor Baladine ihn mit einer Peitsche um den Pool jagt.«
»Weil du weißt, dass er ein Saubermann ist? Oder weil du Schiss hast, dich mit deinem obersten Boss anzulegen?«
»Mein oberster Boss... oh.« Dann schwieg er. Als er wieder etwas sagte, klang er nicht mehr so verärgert wie zuvor. »Hör zu, Vic. Vielleicht hab' ich tatsächlich Schiss, aber du weißt genau, wie ich mir den Arsch aufgerissen hab', nachdem Global den Star gekauft hat. In neun Monaten habe ich insgesamt drei Angebote gekriegt, und keins davon war ernsthafter Journalismus - damit gibt sich heutzutage so gut wie niemand mehr ab. Ich bin jetzt sechsundvierzig. Wenn ich anfange, Trant oder seinen Freunden auf den Schlips zu treten, stehe ich vielleicht schon bald auf der Straße. Und 'nen Typen, der seinem eigenen Chef was am Zeug flickt, will niemand. Du meinst also, dass ich für die Sache mit dem Fernsehen meine Seele verkauft habe. Du kannst mir ruhig was von wegen Moral erzählen, du Königin der Unbestechlichen, aber in dieser Stadt gibt's jede Menge dunkle Machenschaften aufzudecken, ohne dass ich mich mit Trant anlege.«
»Ich will dir ja gar nicht moralisch kommen. Aber eins geht mir
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