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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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der Mittelpunkt des Bleiabbaus gewesen, aber zu dem Zeitpunkt, an dem der Staat beschlossen hatte, das neue Frauengefängnis dort zu errichten, war er bereits ziemlich heruntergekommen.
    Ich hatte keine Ahnung gehabt, wer in Coolis genug Geld und Einfluss besaß, den Weg für Jean-Claude Poilevy zu ebnen, aber als wir durch den Ort zum Gefängnis fuhren, kamen wir zuerst an einem Baladine-Haushalts-und-Eisenwarengeschäft vorbei und dann an einem mit der Aufschrift Baladine-Lincoln-Mercury Ich stellte mir BB als kleinen Jungen im Haushaltswarenladen vor, wie er mit Sicherheitsschlössern spielte und davon träumte, sich später einmal mit richtig großen Schlössern und Schlüsseln zu beschäftigen. Als Freund von Poilevy hatte Baladine bei der Vergabe der Gefängnisverträge die richtigen Kontakte gehabt. Dass die Haftanstalt in seiner Heimatstadt gebaut worden war, hatte allerdings vermutlich mit einer größeren Spende an die Republikanische Partei zu tun.
    Illinois sieht auf der Karte ziemlich groß aus, weil es sich mehr als sechshundert Kilometer weit zwischen Wisconsin und Missouri erstreckt, aber eigentlich ist es ein kleines Nest, in dem jeder jeden kennt und Geheimnisse in der Familie bleiben. Unternehmen zahlen Politikern Geld, um über Staatsaufträge an noch mehr Geld heranzukommen, manches davon mag nicht ganz koscher sein, aber illegal ist es nicht, weil die Leute, die sich hier gegenseitig ein bisschen unter die Arme greifen, genau die sind, die die Gesetze machen.
    Das Gefängnis befand sich ungefähr drei Kilometer außerhalb des Ortes, und auf der Straße warnten Schilder Autofahrer davor, Anhalter mitzunehmen, weil es sich bei denen unter Umstanden um entflohene Gefangene handelte, die gefährlich werden konnten. Da war es schon möglich, dass eine Frau wie Nicola Aguinaldo einem den Wagen mit ihrem Blut versaute, und das wollte man doch schließlich nicht, oder?
    Sogar Mr. Contreras verging das Reden, als wir am Gefängnistor vorbeikamen. Drei hohe Zäune mit Stacheldraht am oberen Ende, von denen der äußerste unter Strom stand, versperrten uns den Weg ins Innere. Mit seinen niedrigen weißen Gebäuden sah es fast ein bisschen wie ein modernes Gewerbegebiet aus - nur waren die Fenster lediglich schmale Schlitze, die an die Schießscharten in einer mittelalterlichen Burg erinnerten. Dazu passten die Wachtürme mit den Aufsehern.
    Rund um das Gefängnis wuchsen wilde Blumen und Bäume, doch im Innern war der Boden entweder betoniert oder von den vielen Füßen, die darüber trampelten, platt gewalzt. In der Ferne sahen wir ein paar Frauen, die beim Softballspielen Staub aufwirbelten.
    Mr. Contreras brummte etwas, als ich den Wagen wieder in Richtung Stadt lenkte. »Wenn man noch nicht am Boden war, als man hier eingeliefert wurde, hat's da drin sicher nicht lang gedauert. Wenn das nichts gegen Verbrechen hilft, dann weiß ich auch nicht.«
    »Es kann aber auch passieren, dass man jede Hoffnung verliert und meint, man hätte überhaupt keine andere Wahl mehr.« Mr. Contreras und ich sind in sozialen Fragen nur sehr selten einer Meinung, aber das hindert ihn nicht daran, an all meinen Kämpfen gegen Windmühlen teilhaben zu wollen.
    Das Krankenhaus lag innerhalb der Stadtgrenze, ein wenig abseits der Hauptstraße, die zum Gefängnis führte. Dahinter befand sich der Smallpox Creek, der in nordwestlicher Richtung gemächlich auf den Mississippi zufloss. Wir ließen die Hunde wieder heraus, damit sie sich im Wasser ein wenig abkühlen konnten, und sahen uns dann die kleineren Straßen rund ums Krankenhaus genauer an. Es war genau so, wie ich es auf der Karte gesehen hatte: Man konnte vom Hospital aus direkt ins Gefängnis oder in die Stadt gelangen, aber als Fluchtweg bot sich nur der Creek an. Nach einer Weile kehrten wir zum Krankenhaus zurück und stellten den Wagen dort ab.
    Das Coolis General Hospital war einmal ein kleiner Ziegelbau gewesen. Doch als man das Gefängnis in der Stadt errichtet hatte und so etwas wie bescheidener Wohlstand in den Ort gekommen war, hatte man zwei riesige Flügel angebaut, so dass das Gebäude jetzt aussah wie eine riesige Libelle. Wir gingen einen langen Pfad hinunter, vorbei an Blumenbeeten und zum Eingang, der sich im alten Teil befand, dem Torso des Insekts. Schilder dirigierten Besucher zur Brest-Baladine-Chirurgie, zur Radiologie und zur Information.
    »Hallo«, sagte Mr. Contreras zu der gelangweilten Frau an der Rezeption. »Ich bin wegen meiner Enkelin

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