Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Menge, um die Produktion konstant zu halten. Im höheren Reich, dem Gehirn selbst, herrschen die Neurotransmitter. Diese biochemischen Stoffe, nicht die niederen Hormone, sind die Essenz der Lust.
Dopamin â dessen Atome wie ein Kopf mit Antennen und stacheligem Schwanz angeordnet sind â stellt in gewisser Weise die molekulare Verkörperung von Verlangen dar: sein wichtigster chemischer Botenstoff. Aber nicht nur das: Es schieÃt auch durch eine Vielzahl untergeordneter Hirnregionen und geht unzählige Verbindungen mit anderen Neurotransmittern ein; die Wirkung ist ganz unterschiedlich und reicht von der Bewegungskontrolle (Zittern und Schwerfälligkeit von Parkinson-Patienten rühren von einem Dopaminmangel her) bis zum Gedächtnis. An erster Stelle ist Dopamin aber die Substanz der Lust. Mithilfe seiner speziellen Schneidemaschine hat Pfaus seinen Blick auf zwei winzige Bereiche im Mittelhirn konzentriert, auf die mediale präoptische Region ( MPOA ) und das ventrale Tegmentum ( VTA ). Diese sind quasi das Herz der Wirkung von Dopamin beim Sex. Er bezeichnete sie als »Einschlagsort des Verlangens«.
Von diesem primitiven Epizentrum strahlt das Dopamin aus. »Ein Dopaminrausch ist ein Lustrausch«, fuhr Pfaus fort. »Er steigert alles. Er steckt dahinter, wenn Liebende sich beschnuppern â wenn eine Frau den Geruch eines T-Shirts inhaliert. Hinter dem Anfang vom Vögeln, hinter dem âºEsâ¹-Wollen, hinter dem Mehr-Wollen.«
Doch damit sich die Erregung des Dopamins auf ein Objekt richtet, damit es sich anfühlt wie Verlangen und nicht wie ein Sturz ins Chaos der gesteigerten Wahrnehmung, muss es im Gleichgewicht mit anderen Neurotransmittern agieren. Dabei spielt das Serotonin eine unverzichtbare Rolle. Anders als das aufpeitschende Dopamin dämpft es. So, wie das Dopamin Verlangen erzeugt, bewirkt Serotonin Befriedigung. Stopft man weibliche Ratten mit Antidepressiva voll â etwa mit den selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern â, die das Serotonin länger verfügbar halten, dann verbringen die Weibchen weniger Zeit damit, die Männchen zu umwerben. Auch biegen sie ihre Wirbelsäulen nicht mehr so stark durch, heben ihre Hinterteile weniger hoch, machen es den Männchen, die sich mit ihnen paaren, nicht mehr so einfach.
Es sei wichtig, betonte Pfaus, die Vorzüge von Serotonin zu verstehen. Es schützt nicht nur vor Depressionen. Dieser Neurotransmitter erlaubt es auch dem Frontallappen des Gehirns, genauer gesagt dem präfrontalen Cortex, einem für die Planung und Selbstkontrolle zuständigen Bereich, effektiv innerhalb des Organs zu kommunizieren und die sogenannte exekutive Funktion zu übernehmen. Serotonin reduziert dringende Bedürfnisse und Impulse; das ermöglicht gründliches Nachdenken und vernünftiges Handeln. Das Problem ist nur, wird das Serotonin im Verhältnis zum Dopamin zu stark, dann denkt eine Frau beim Sex wahrscheinlich unwillkürlich eher über ihr Programm vom nächsten Tag nach, anstatt sich von ihren Empfindungen und dem Verlangen überwältigen zu lassen. Stehen Serotonin und Dopamin dagegen im richtigen Verhältnis zueinander, wird die erotische Energie weder durch die To-do-Liste für den folgenden Tag ersetzt noch kann sie totales Chaos erzeugen. Befinden sich der Frontallappen und das Mittelhirn im Einklang, kann das Verlangen Maà und Ziel annehmen.
Trotz seiner famosen Schneidemaschine, die sich auf die Stärke von einem Mikrometer einstellen lässt, ist es Pfaus noch nicht einmal annähernd gelungen, das Zusammenspiel der Neurotransmitter ganz zu entschlüsseln. Ein für die Lust unabdingbarer dritter Transmitter sind seiner Ansicht nach die Opioide. Auch sie fluten unser Gehirn beim Orgasmus und wirken zusammen mit dem Dopaminrausch, damit der Anblick der muskulösen Brust des Lovers oder die Lektüre erotischer Literatur eine kleine Welle opioider Verzückung auslösen. Während er mir dieses Vergnügen beschrieb, sprach er auch von den stärksten Vertretern dieser Kategorie, den Mohnerzeugnissen Morphin und Heroin. Erreichen diese Drogen das Gehirn, ist die Befriedigung so stark â viel stärker als das von Serotonin bewirkte Wohlbehagen â, dass Reglosigkeit eintritt. Sowohl der Exekutivbereich als auch das Lustzentrum werden überflutet. Zielgerichtetheit und Antrieb gehen gegen null. In weniger starker Dosis, wie sie
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