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Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht

Titel: Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nachwies, dass Geschlechtsverkehr die Klitoris der Ratte stimuliert: Ein Kollege hatte die Männchen mit Tinte markiert und dann die gefärbten Bereiche ihrer Partnerinnen analysiert. Pfaus konnte zwar nicht mit Sicherheit sagen, ob weibliche Ratten Orgasmen bekamen. Es gab ja kein einfach zu messendes Anzeichen wie die männliche Ejakulation, um den subjektiven Höhepunkt zu registrieren. Was Lust und höchst intensives Verlangen betraf, war er sich jedoch sicher.
    Der Beweis wurde folgendermaßen erbracht: Wenn man eine Ratte unmittelbar nach einem langen Paarungsakt in einen anderen Käfig setzte, assoziierte sie den gerade erlebten Sex mit dieser Umgebung. Wenn man ihr als Nächstes die Wahl zwischen diesem neuen Käfig und einem weiteren bot, dann verbrachte sie die Zeit bevorzugt in dem, mit dem sie die Paarung verband. Die Entscheidung änderte sich selbst dann nicht, wenn der dritte Käfig viel einladender war – beispielsweise dunkel, was für den Instinkt des Nachttiers größere Sicherheit bedeutet –, und der mit Sex assoziierte Käfig grell beleuchtet war, was für das Tier eigentlich Todesgefahr signalisiert. Machte man den gleichen Versuch mit einem Weibchen, das zuvor nur schnellen – unbefriedigenden – Verkehr erlebt hatte, entschied es sich für den dunklen Käfig.
    Eine von Pfaus Doktorandinnen hat kürzlich einen eindeutigen Beweis von Verlangen gefilmt. Die Motivation entstand hier aus der erlernten Erwartung von Belohnung, also genauso, wie sexuelles Verlangen beim Menschen entsteht. Während wir in seinem Büro, einige Stockwerke über den Rattenkäfigen, saßen, zeigte Pfaus mir das Video. Darin nahm die Studentin eine weibliche Ratte hoch und strich mit einem kleinen Pinsel über deren Klitoris, die daraufhin wie ein winziger Pfropfen aus den Genitalien herausragte. Nach ein paar Pinselstrichen setzte sie das Tier zurück in seinen Käfig. Sogleich streckte es die Nase durch die offene Käfigtür nach draußen, packte mit den Zähnen den weißen Ärmel des Laborkittels der Studentin und zog die Hand der Frau so in den Käfig. Daraufhin streichelte die Studentin die Klitoris der Ratte erneut und setzte sie anschließend wieder in den Käfig. Auch diesmal packte das Nagetier die Studentin mit den Zähnen am Ärmel und teilte ihr auf diese Weise unmissverständlich mit, wonach sie sich sehnte. Der Vorgang wiederholte sich noch mehrmals.
    Während wir uns das ansahen, erwähnte Pfaus, wie die Anatomie bis vor zehn Jahren Entscheidendes übersehen und so unsere Erkenntnisse über die Klitoris – bei Ratten wie bei Menschen – geschmälert hatte. Das Organ besitzt beträchtliche Ausläufer, die sich in Form von Schenkeln und Schwellkörpern im Inneren des Körpers verbergen. Zum Teil liegen sie direkt hinter der vorderen Wand der Vagina. Trotzdem wurden diese nervenreichen Gebilde von den modernen Anatomen meist nicht beachtet, entweder ließ man sie ganz unter den Tisch fallen oder man maß ihnen keine Bedeutung bei. Die Wissenschaft scheint das Organ fast absichtlich verkleinert und es so im übertragenen Sinn beschnitten zu haben. Eine weitere Lektion beim Herunterspielen des weiblichen Verlangens. Ab den späten Neunzigerjahren beschäftigte sich die australische Urologin Helen O’Connell im Detail mit der Ausdehnung und Reichweite des Organs. Sie vertrat die Ansicht, es sei über die Scheidenwand druckempfindlich – diese Empfindlichkeit löst möglicherweise vaginale Orgasmen aus und könnte auch die Erklärung für den sagenumwobenen und umstrittenen G-Punkt sein. O’Connell kritisierte den abgewandten Blick ihrer wissenschaftlichen Vorgänger scharf: »Letztlich steht dahinter die Vorstellung, dass eines der beiden Geschlechter sexuell ist und das andere zuständig für die Fortpflanzung.«
    Pfaus nahm behutsam sein Plastikmodell eines menschlichen Gehirns auseinander, betrachtete die Windungen und Falten. Er erzählte mir von Neurotransmittern, die die Lust sowohl bei Männern als auch bei Frauen definieren. Die Libido funktioniert in gewisser Weise auf zwei Ebenen. Da wäre das niedere Reich, in dem Hormone aus den Eierstöcken und Nebennieren über das Blut ins Gehirn gelangen, um dort die Produktion von Neurotransmittern zu bewirken. Wie genau das funktioniert, ist noch ein Rätsel; genauso wie die nötige

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