Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Nähe â das stellt man sich gemeinhin als den richtigen Weg vor. In Meanas Augen führt das durchaus zu netten Ergebnissen, aber wohl kaum zu mehr Lustgewinn.
»Weibliches Verlangen«, scheint sie Chiversâ Experiment mit Fremden und engen Freunden wiederzugeben, »wird nicht von den Beziehungsfaktoren gesteuert, von denen wir glauben möchten, dass sie im Unterschied zur männlichen die weibliche Sexualität beherrschen.« Sie bereitete gerade die Veröffentlichung einer Studie vor, die auf ausführlichen Interviews mit Frauen basierte, deren Ehen sexuell am Ende waren. Es könne schon stimmen, erklärte sie mir, dass schlechte Beziehungen die Lust töten, aber selbst gute garantieren sie keineswegs. »Wir küssen uns. Wir umarmen uns. Ich sage ihm, dass ich auch nicht weiÃ, woran es liegt«, zitierte sie eine der Teilnehmerinnen. »Wir führen eine groÃartige Beziehung. Es hakt nur in diesem einen Bereich« â nämlich im Bett.
Meana fuhr damit fort, wie wichtig es sei, zwischen dem zu entscheiden, was einem im Leben wichtig ist, und was die stärkste Quelle von Verlangen ist. Frauen mögen groÃen Wert auf die Ideale von Zusammenhalt und gegenseitigem Verständnis legen, aber »es ist falsch, zu glauben, nur weil Frauen sich für Beziehungen entscheiden, seien diese der Hauptquell weiblichen Begehrens«. Und noch einmal kam sie auf Narzissmus und den Wunsch, Objekt ursprünglichster Begierde zu sein.
Sie argumentierte, dass die Erfüllung dieses Wunschs nicht Nähe, sondern ein gewisses Maà an Distanz erfordert. Ein Lustobjekt muss notwendigerweise für sich stehen. Sie warnte vor der Erwartung oder auch nur Hoffnung auf das Erreichen des so verbreiteten romantischen Traumzustands: nämlich der »Verschmelzung« mit einem Partner, der einen dazu bringt zu sagen: »Ich werde eins mit dir.« Dies wäre ein falscher MaÃstab für Liebe. So eine Art von Bindung oder auch schon das Streben danach könne die Erotik ersticken. Die Verschmelzung lieÃe keine Trennung zu, die es zu überwinden gelte, keine Entfernung zwischen den Liebenden, kein Ziel, an dem man die ganze Macht dieses Verlangens dann spüren könne.
»Manchmal sehen wir einander beim Aufwachen an«, sagte Isabel. Dieses perfekte Timing, das gleichzeitige Aufschlagen der Augen, wenn sich die Pupillen so nah sind, dass das Bild verschwimmt, und sie und Eric sich vor lauter Nähe fast auflösen, dann meint man die Wärme dieser Situation fast zu spüren. Ihre zweitliebste, immer noch wundervolle Erfahrung war das Wegnehmen der Schichten aus Kissen und Decken von seinem Gesicht, sodass er die Augen öffnete und sie von ihm gesehen, erkannt, in sich aufgenommen, in ihm verborgen, von ihm absorbiert wurde.
Warum, so fragte, verhörte, tadelte sie sich selbst, empfand sie Gleichgültigkeit â warum, wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, hatte sie begonnen, auszuweichen, wenn er ihr signalisierte, dass er mehr von ihr wollte? Das ergab für sie einfach keinen Sinn. Auf der Party, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte sie ihn zuerst entdeckt; bei ihrem ersten Date hatte sie ihn geküsst und nicht umgekehrt; in den ersten Monaten ihrer Beziehung hatte sie solches Verlangen verspürt, dass sie, so ihre eigenen Worte, »ihn wie einen Baum bestieg«. Jetzt, eineinhalb Jahre später, »hing sie an ihm wie Klettband«, genoss den täglichen Kick, wenn er die Augen aufschlug, und fühlte sich ansonsten ihrer Lust beraubt.
Aber sie wollte etwas dagegen unternehmen. Also marschierte sie in einen exklusiven Sexshop und erstand dort Massageöl und eine Augenbinde. Damit wollte sie nicht sein attraktives ÃuÃeres ungesehen machen, sondern die Wirkung seiner Berührungen verändern. Solche Versuche zeigten Wirkung, ein wenig und für eine gewisse Zeit. Was war nur los mit ihr? Manchmal, so sagte sie, wünschte sie sich, er würde »sich räuberischer benehmen« â sie mit den Schultern an eine Wand oder aufs Bett pressen, fester in ihre Brustwarzen beiÃen, ihren Tanga heftiger herunterziehen oder zerreiÃen. Aber sie warnte sich selbst davor, ihn darum zu bitten. »Denn dann würde er sich schlecht fühlen, und seine Gesten wären leer, nur eine Parodie dessen, was ich will. Die Sache ist ja, dass es instinktiv passieren soll. Die Vorstellung, dass ich danach fragen
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