Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
Studie misst Erregung beim Pornokonsum«, hatte die Ãberschrift gelautet. Ein Kon gressabgeordneter hatte eine Untersuchung gefordert. Das Geschrei über ihr kleines Projekt war bald verstummt, doch sie machte sich Sorgen wegen der akuten amerikanischen Abneigung gegen einen zu genauen, zu sorgsamen Blick auf Sexualität.
Um ihre Kommission nicht zu überfordern, war Meana behutsam vorgegangen. Sie entwarf eine Studie, die die Augenbewegung bei nicht-jugendfreien Pornos erfassen sollte. Diese Filme würden ihre Probanden stärker anturnen als die Softporno-Bilder. Würden die Augen der Frauen in diesem Zustand stärkerer Erregung â der Wahrnehmung und Vergleich ja weniger zuträglich ist â nicht so stark auf weibliche Körperteile gelenkt, sondern sich eher von allem Männlichen angezogen fühlen? Die Wissenschaftlerin rechnete in der Tat nicht damit. Sie erwartete, dass sich das Muster ihres vorangegangenen Experiments wiederholen und der weibliche Körper der wirklich elektrisierende sein würde.
Während sie die neue Studie entwickelte und auf die Zustimmung der Untersuchungskommission hoffte, wusste sie noch nichts von Chiversâ Versuchen mit den Bildern isolierter Genitalien. Sonst hätte sie das vielleicht zu der Frage geführt, ob die Frauen in ihrem Videoexperiment â auÃer den Frauenkörpern â auch Deen-artige Erektionen suchen würden, als die deutlichsten Beweise männlicher Begierde.
Meana bezog ihre Ideen nicht nur aus dem Labor, sondern auch aus ihrer klinischen Arbeit. Dort versuchte sie unter anderem, Frauen mit Dyspareunie, also Schmerzen im Genitalbereich während des Verkehrs, zu helfen. Dieser Zustand wird nicht durch fehlende Lust hervorgeru fen, allerdings berichteten ihr Patientinnen von weniger Schmerzen bei erhöhtem Verlangen. Daher bestand ein Teil der Herausforderung darin, das Verlangen zu steigern, und â entgegen der vorherrschenden Meinung â hatte die Lösung »wenig mit Verbesserungen in den Beziehungen zu tun«, wie sie berichtete, oder mit mehr Kommunikation zwischen den Patientinnen und deren Partnern.
Sie rollt mit den Augen, wenn sie so etwas sagt, und beschreibt mir eine Patientin, deren liebevoller Partner beim Sex oft fragt: »Ist das okay?« Meana zuckte wegen des Missverständnisses, das hinter seinen vorsichtigen Versuchen steckte, regelrecht zusammen. »Es gab keinen Schwung«, nichts Kraftvolles, kein Signal des Mannes, dass sein Hunger nach ihr auÃer Kontrolle war.
Nachdem ich mit Meana gesprochen hatte, musste ich an Freud und die Psychoanalytikerin Melanie Klein denken. Sexualforscher haben nicht viel Zeit für psychoanalytische Theorie. Sie neigen dazu, Freuds Ideen im Vergleich zur empirischen Forschung ihrer eigenen Disziplin als unbegründet zu ignorieren oder zu belächeln. Meana erwähnte Freud zwar nicht, aber seine und Kleins Denkweise scheinen ihre eigene zu durchdringen. Das Gleiche könnte man auch in Bezug auf Chiversâ Messungen der vaginalen Durchblutung vermuten.
Für Freud wird die Sexualität als erster Lebensgenuss in unsere Seelen geprägt â und die Mutterbrust ist dessen überwältigende Quelle. »Die erste und lebenswichtigste Tätigkeit des Kindes«, schrieb er vor 100 Jahren, ist »das Saugen an der Mutterbrust (â¦). Wer ein Kind gesättigt von der Brust zurücksinken sieht, mit geröteten Wangen und seligem Lächeln in Schlaf verfallen, der wird sich sagen müssen, dass dieses Bild auch für den Ausdruck der sexuellen Befriedigung im späteren Leben maÃgebend bleibt.« Das primäre Bedürfnis nach Nahrung beschert dem Kind die erste Lektion in Sachen Lust. Ãberlebenswille und Sinnlichkeit fallen zusammen. »Wir würden sagen, die Lippen des Kindes haben sich benommen wie eine erogene Zone , und die Reizung durch den warmen Milchstrom war wohl die Ursache der Lustempfindung.« Das Bewusstsein des Säuglings wird von Augenblicken fast orgasmischer Wucht geflutet.
»Die Objektfindung ist eigentlich eine Wiederfindung.« So schildert Freud die Entwicklung des jugendlichen und erwachsenen Verlangens. Wir suchen nach der Vergan genheit, nach dem Genuss, den wir einst empfangen haben, den die Mutter uns nicht nur beim Stillen, sondern â und das gilt vor allem für Freuds Lebzeiten im Unterschied zum Vater â auf zahllose andere Arten als Baby bereitet hat,
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